Antonio Ive an Hugo Schuchardt (07-04941)

von Antonio Ive

an Hugo Schuchardt

Graz

30. 08. 1898

language Deutsch

Schlagwörter: Dankschreiben Druckfehler Schuchardt-Bibliothek Literaturbeschaffung Druckwesen Biographisches Grazer Tagespost Ive, Antonio (1900) Auerbach, Bertrand (1898) van Eys, Willem J. (1873) Larramendi, Manuel de (1745) Meyer, Gustav (1895) Schuchardt, Hugo (1891) Pallioppi, Zaccaria (1893–1895) Carisch, Otto (1848) Schuchardt, Hugo (1898)

Zitiervorschlag: Antonio Ive an Hugo Schuchardt (07-04941). Graz, 30. 08. 1898. Hrsg. von Birgit Dorn, Johannes Mücke und Verena Schwägerl-Melchior (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2895, abgerufen am 29. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2895.

Printedition: Dorn, Birgit; Mücke, Johannes; Schwägerl-Melchior, Verena (2016): 'Ihre Angelegenheit in Bezug auf d[as] Spinnen werde ich nicht aus den Augen lassen' – Briefe Antonio Ives an Hugo Schuchardt. In: Grazer Linguistische Studien. Bd. 85., S. 165-256. http://unipub.uni-graz.at/gls/periodical/pageview/1572604.


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Graz, 30. August 1898

Sehr geehrter Herr Professor!

Ich sage Ihnen meinen verbindlichsten Dank für die ausgezeichnete Güte die Sie gehabt haben, mir Ihre freundliche Beihilfe bei der Correctur meiner Arbeit angedeihen zu lassen. Ich wollte schon früher dies thun, kam aber nicht dazu. Die Correcturen nehmen mich derart in Anspruch, dass ich Tag und Nacht keine Ruhe mehr habe. Sollte dies noch einen Monat dauern, so fürchte ich wirklich nervös zu werden.

Ihre für mich so wertvolle Randbemerkungen werde ich bei Gelegenheit der folgenden Correctur gewiss benützen. Was die zuletzt eingelangten betrifft, so ist noch immer Zeit beim 1en und 2ten Bogen Etwas zu ändern, oder hineinzufügen, da der Satz wie ich Ihnen schon mitgetheilt habe, bis zum Schluß liegen muß. – Die Stelle bezüglich Auerbach's und Virkow's1 Meinungen sind durch einen Druckfehler des Setzers en[t]stellt worden. |2| Es sollte statt 'fra gli altri' (peraltro) stehen.2 Auch etwas andres, wie ich nachträglich sehe, muß in der Einleitung geändert werden. Heute früh war ich auf der Bibliothek, um gleich die mir von Ihnen angezeigten Bücher zu consultieren, fand aber kein einziges Neugriechisches Lexicon! Bei Ihnen zu Hause, wo die Marie so freundlich war, mich in Ihr Tempel zuzulassen, suchte ich im bask. Wörterbuch von v. Eys3 nach macanza umsonst; aber im Larramendi fand ich "basquina"4 was für meinen Fall vielleicht besser passt. Es heißt dort ein bunter Frauenunterrock oben faltig unten weit: Was sagen Sie als Meister dazu? Das Wort πίϑος oder πιϑαριον5 hat Meyer 6in seinen Neugriech. Studien (Rom. Lehnwört.)7 nicht. Wo liegt aber bei Ihnen zu Hause Ihr Werk Romano-Magyarisches?8

Auch Pallioppi9 und Carisch10 habe ich umsonst gesucht. Povero me! Sono ridotto a meta! Ich erlaube mir, beiliegend neben der Nummer der Tagespost von Samstag wo Dr Rullmann |3| über Ihre letzte geniale Schrift spricht11 weitere 2 Bogen und zwar den 7ten und den 2ten Correctur des 3ten zuzusenden mit der Bitte in beide Einsicht nehmen zu wollen und mir dann sie gelegentlich zurückzuschicken Wegen der unschönen þ habe ich heute nach Wien schon geschrieben. Vielleicht finden die Leute ein besseres Zeichen.

Dr Rullmann lässt sie schön grüssen, nur grollt er Ihnen, weil Sie ausschließlich seinem Ricco die Ehre erwiesen haben, Ihre Gedichte zukommen zu lassen.12

Ich danke Ihnen nochmals für Ihr [gro]ßes13 mir stets erwiesenes Wohlwollen. Wenn Sie nur bald nach Graz kämen! Ich wünschte Sie häufig und häufig in meiner Nähe. Auch die Marie möchte dass Sie bald nach dieser Stadt zurück kehrten. Ich weiß nicht ob ich bei dieser Arbeit länger aushalten würde. In 2 längstens 3 Wochen möchte ich doch eine[n] kleinen Abstecher nach Rovigno machen. Nur wenn Sie da wären würde ich nicht fortgehen. Leben Sie recht recht wohl grüßen Sie mir gefälligst Prof. Boehmer14 und empfangen Sie beste Empfehlung und den den [sic] verbindlichsten Dank von Ihrem ganz ergebenen

A Ive

|4| Ich hatte eben meinen Brief geschlossen und wollte ihn fortschicken als Ihr zweiter Brief mir zukam! Ich habe nichts weiter hinzuzusetzen als, dass Alles wieder auf das richtige Geleise gebracht worden ist. Das Werk wird bis Oktober bestimmt fix und fertig sein und Sie werden, diesmal, hoffe ich, sich und mir auch nichts vorzuwerfen haben. Was den Verleger anbelangt, bitte ich Sie jetzt auch mir Ihre Hilfe leisten zu wollen. Die Correcturbogen hätte ich sehr gern Ihnen geschickt, auch hatte ich eine leise Andeutung in meinem letzten Brief davon gemacht, fürchtete aber Sie jetzt allzuviel zu belästigen und auch nur zu viel Zeit zu verlieren […].15 Ich erlaube mir beiliegend die Correcturen des I en Bogen, der so wie der IIe bis Schlusse des Druckes im Satz liegen soll sowie der 3 andren, zuzusenden, mit der Bitte, Ihre Bemerkungen gefälligst mir mittheilen zu wollen.

Nochmals besten Dank und Muth. Es wird alles, es muss alles nach Wunsch gehen!


1 Eigentlich Virchow, siehe folgende Fußnote.

2 Vgl. Ive (1900: VII), FN 1 – der Satzfehler wurde offensichtlich noch korrigiert: "Lasciando così la causa sub judice, non vogliamo con ciò far mostra d'annuire tacitamente all'opinione, emessa e sostenuta in questi ultimi tempi da uomini rispettabili per scienza e dottrina, sì di Francia che di Germania, come anche d'Italia; i quali, riaccostando fra di loro termini in ordine storico ben disgiunti e punto punto affini (Illirj e Slavi), pretesero dedurne il postulato: l'elemento slavo essere, nella Venezia e nell'Istria, anteriore al latino e perfino all'italico, anzi costituire quasi il sostrato etnico-linguistico di queste regioni (cfr. peraltro: B. Auerbach, Les races et les nationalités en Autriche-Hongrie. Paris. F. Alcan, 1898; R. Virchow, Zur Craniologie Illyriens pp. 769-819, specialmente p. 771, dove si discorre ella storia posteriore degli Illirj in modo del tutto oggettivo, e ben diverso da quello che altri potrebbe esser indotto a credere dal titolo dell'opera) […]" (Fettdruck BD/JM/VS).

3 Vermutlich ist gemeint van Eys (1873), Dictionnaire Basque-Français. Tatsächlich verzeichnet das Wörterbuch kein solches Lemma.

4 Vermutlich ist gemeint Larramendi ([1745] 1888), Diccionario Trilingüe del Castellano, Bascuence, Latin. Der dortige Eintrag zu Basquiña lautet: "es palabra bascongada, o de baso y quiña saya hecha en los montes, de que usaban las bascongadas, y aun hoy se conservan en algunos lugares, y eran muy pomposas y de muchisimos pliegues; o de be, bea, lo bajo, y azquena, lo último y superior que cubre hasta el suelo. Basquiña gona gañecoa. Lat. Extima tunica mulieris", s.v.

5 Vgl. Ive ( 1900: 68), wo im Eintrag zu pitier 'vaso' auf altgriech. πίϑος ('Fass') und πιϑάριον ('Fässchen') hingewiesen wird.

6 Gustav Meyer (1850-1900), Indogermanist, Nachfolger von Johannes Schmidt in Graz, Nachbar Schuchardts in der Elisabethstraße. Im Nachlass Schuchardts sind 25 Briefe Meyers aus den Jahren 1879-1897 erhalten (Bibl. Nr. 07160-07183), in Meyers Nachlass dagegen nur ein Brief Schuchardts. Der Briefwechsel befindet sich derzeit in Bearbeitung.

7 Meyer ( 1895).

8 Schuchardt (1891 [= HSA 242]).

9 Vermutlich geht es um die beiden Bände von Pallioppi (1895, 1902), Dizionari dels idioms romauntschs : d'Engadin' ota e bassa, della Val Müstair, da Bravuogn e Filisur con particulera consideraziun del idiom d'Engadin' ota. Die Exemplare der Universitätsbibliothek Graz (Signaturen I 220809, I 220810) stammen aus dem Besitz Hugo Schuchardts.

10 Vermutlich geht es um Carisch (1848), Taschen-Wörterbuch der rhätoromanischen Sprache in Graubünden, besonders der Oberländer und Engadiner Dialekte.

11 Der von Rullmann verfasste Leitartikel der Grazer Tagespost vom Samstag, 27.08.1898 mit dem Titel "Die nationalen Kämpfe in Oesterreich in französischer Beleuchtung" stellt die Darstellung des Problemkreises in der französischen Tagespresse der wissenschaftlichen Betrachtung durch Schuchardt in seiner 1898 erschienenen Arbeit Tchèques et Allemands. Lettre de M. Hugo Schuchardt, Correspondant étranger de l'Institut de France à M. *** (Schuchardt 1898 [= HSA 324]) gegenüber.

12 Es konnte nicht in Erfahrung gebracht werden, welcher Sachverhalt hier gemeint ist.

13 Schwer lesbar. Möglicherweise korrigiert aus anderem Wort.

14 Vermutlich Eduard Boehmer (1827-1906), deutscher Theologe und Romanist, der in Lichtenthal bei Baden-Baden lebte. Schuchardt reiste im August 1898 nach Baden-Baden und Gotha. Im Nachlass Schuchardts liegen auch drei Briefe von Boehmer aus den Jahren 1884, 1887 und 1890 vor (Bibl. Nr. 01187-01189).

15 Nicht lesbar. Möglicherweise gestrichenes "verzeihen Sie".

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 04941)