Antonio Ive an Hugo Schuchardt (03-04937)
von Antonio Ive
an Hugo Schuchardt
21. 04. 1898
Deutsch
Schlagwörter: Publikationsvorhaben Publikationswesen Literaturbeschaffung Universitätsbibliothek Graz Universitätsangelegenheiten Universität Graz Verlag Karl J. Trübner Grazer Tagespost Istriotisch Ive, Antonio (1900) de Mortillet, Gabriel (1890) Hirschegger, Manfred (1989)
Zitiervorschlag: Antonio Ive an Hugo Schuchardt (03-04937). Graz, 21. 04. 1898. Hrsg. von Birgit Dorn, Johannes Mücke und Verena Schwägerl-Melchior (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2891, abgerufen am 16. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2891.
Printedition: Dorn, Birgit; Mücke, Johannes; Schwägerl-Melchior, Verena (2016): 'Ihre Angelegenheit in Bezug auf d[as] Spinnen werde ich nicht aus den Augen lassen' – Briefe Antonio Ives an Hugo Schuchardt. In: Grazer Linguistische Studien. Bd. 85., S. 165-256. http://unipub.uni-graz.at/gls/periodical/pageview/1572604.
Graz (Goethestrasse 40) 21/IV 98.
Hochgeehrter Herr Professor!
Erst heute früh hier angekommen – ich habe wegen des Unwohlseins meiner Mama den Aufenthalt in Rovigno um ein paar Tage verlängert – fand ich auf meinem Schreibtisch Ihre zwei Briefe, die ich sogleich beantworte.
Vor allem spreche ich Ihnen nochmals meinen innigsten und verbindlichsten Dank aus für alles Gute das Sie für mich gethan und in der Zukunft noch zu thun geneigt sind. Bis heute war ich in folge der Ablehnung meiner Arbeit von Seite des Prof. Ascoli1 in einer so gedrückten Stimmung, daß es mir jede Lust zur Arbeit gänzlich fehlte; daß diese mir wieder zurückgekommen sei möchte ich momentan nicht behaupten; allerdings haben mir Ihre wohlwollenden und aufmunternden |2| Worte Muth eingeflöst, und ich fange wieder an zu hoffen. Möge es Ihren aufopfernden Bemühungen nur gelingen, meine Angelegenheit der erwünschten Erledigung zuzuführen.2
Was die zweite Arbeit betrifft, von welcher Ascoli spricht, so glaube ich Ihnen schon mitgetheilt zu haben, dass diese der Mundarth Lexicon war, mit welchem ich mich seit langer Zeit beschäftige.3 Ich habe diesbezüglich auch Ascolis Brief vorgelesen. Ob auch diese Arbeit bei ihm jetzt dieselbe Aufnahme finden wird wie meine erste über die istrischen Mundarten weiß ich nicht. Aber ich habe alle Maßregeln getroffen, um diesem Fall vorzubeugen, worüber ich mir vorbehalte, Ihnen mündlich zu berichten. Rosa's Elemento ted.4 und Rossis Glossario medioevale ligure,5 kenne ich nicht; aber die Quisquilie etimologiche von Salvioni6 sind von ihm in einer Gelegenheits|3|schrift (Miscellanea nuziale Rossi-Teiss. Trento, 25 Settembre 1897 (Bergamo-1897) von Seite 401-420 veröffentlicht worden.7 Soll ich sie vom Professor auch in Ihrem Namen verlangen? Ich werde es sehr gern thun wenn Sie es wünschen. Das Buch von G. de Mortillet über den Ursprung der Jagd etc.8 habe ich auch noch Ihrem Wunsche entsprechend heute früh beim Reg.-rath9dringend abverlangt. Er (NB)10 hat mir versprochen, uns dasselbe gleich anzuschaffen. Also warten wir bis dies geschieht.
Sonst geht es mir hier leidlich. Das Wetter, immer trüb und, im Gegensatz zum Süden, noch ziemlich kühl, macht mich fast nervös. Soeben bekomme ich die Einladung zur Fakultätssitzung für Montag, auf deren Tagesordnung auch ein Antrag von Prof. Schenkl11 steht, betreffend des Vorschlages des Prof. Dr Kirste12 zum Ordinarius. Ob ich hingehen werde, weiß ich jetzt noch nicht. Vielleicht bleibe ich zu Hause. Ich freue mich ungemein Sie hier wieder |4| zu sehen. Ich habe Viel Ihnen mitzutheilen, darunter Etwas nicht Unwichtiges auch für meine Angelegenheit. Aber kommen Sie sobald die pietätsvolle Liebe zu Ihrer Mama es Ihnen erlaubt.13 Ich fühle am Besten, wie es einem schwer vorkomm[t] sich von dem allerliebsten Wesen, das die Mutter ist, zu trennen. Auch ich habe die meinige nur sehr schweren Herzens verlassen. Gebe es Gott, das Sie mir noch viele Jahre, wenn auch leidend beibehalten bleibe! Ich bitte Sie freundlich, noch unbekannterweise der Ihrigen meine hochachtungsvolle Empfehlung übermitteln zu wollen.
Nochmals tausend innigen Dank für Ihre große Antheilnahme an meinem Schicksal. Behalten Sie mir immer Ihr viel vermögendes Wohlwollen und seien Sie versichert der größten Hochachtung und dankbaren Verehrung seitens Ihres ganz ergebenen
A. Ive
Dr Rullmann14 habe ich noch nicht gesehen, aber mit der Maria15 habe ich heute früh gesprochen.
1 Vgl. Anmerkung 2 zu 01-04936.
2 Gemeint ist die Suche nach einem geeigneten Publikationsort für Ives schließlich bei Trübner in Straßburg publizierte Darstellung I dialetti ladino-veneti dell'Istria (Ive 1900).
3 Vermutlich ist hier das nie veröffentlichte Dizionario istrioto-italiano gemeint (heute in der Universitätsbibliothek Zagreb, vgl. Proietti 2004 ).
4 Rosa (1883), L'elemento tedesco nel dialetto piemontese .
5 Rossi (1896-1909). Glossario Medievale Ligure .
6 Carlo Salvioni (1858-1920), Schweizer Sprachwissenschaftler, der von 1899 bis 1914 ebenfalls mit Schuchardt korrespondierte (Bibl. Nr. 09912-09930 im Nachlass Schuchardts).
7 Salvioni (1897), Quisquilie etimologiche . Schuchardt besaß ein Exemplar der betreffenden Arbeit (Universitätsbibliothek Graz, Institut für Romanistik IS/86/21).
8 Vermutlich Mortillet (1890), Origines de la chasse, de la pêche et de l'agriculture. Das Buch ist unter der Signatur I 94576 in der Universitätsbibliothek Graz vorhanden. Ob es auf Schuchardts bzw. Ives Wunsch hin angeschafft wurde, konnte nicht eruiert werden.
9 Zu diesem Zeitpunkt war Wilhelm Haas (1842-1918) Direktor der Universitätsbibliothek Graz, der 1897 zum Regierungsrat ernannt worden war (Hirschegger 1989: 6; Czeike 1994 : 5, s.v.).
10 Hier geschrieben als Abbreviatur für lat. Nota bene.
11 Heinrich Schenkl (1859-1919), klassischer Philologe, seit 1892 außerordentlicher, seit 1896 ordentlicher Professor an der Universität Graz. Er korrespondierte auch mit Schuchardt (Bibl. Nr. 10021-10029 aus den Jahren 1894-1909 im Nachlass Schuchardts).
12 Johannes Kirste (1851-1920), Orientalist und seit 1892 außerordentlicher Professor, ab 1895 Titularprofessor an der Universität Graz. Er wurde erst 1902 ordentlicher Professor und korrespondierte auch mit Schuchardt (Bibl. Nr. 05555-05573 aus den Jahren 1887-1918 im Nachlass Schuchardts).
13 Schuchardts Mutter Malwine, geb. Bridel-Brideri (1815-1899) war zeitlebens sehr wichtig für ihn.
14 Wilhelm Rullmann (1841-1918), Schriftsteller und Publizist, seit 1879 Mitarbeiter der Grazer Tagespost und deren späterer Chefredakteur. Im Nachlass Schuchardts haben sich auch Briefe von ihm aus den Jahren 1884-1918 erhalten (Bibl. Nr. 09814-09852).
15 Maria Oswald war Schuchardts Haushälterin in der Elisabethstrasse 6 (Polizeilicher Meldezettel und Umschlagbogen der Volkszählung 1900, Stadtarchiv Graz).