Friedrich Schürr an Hugo Schuchardt (15-10388)

von Friedrich Schürr

an Hugo Schuchardt

Pörtschach

20. 08. 1925

language Deutsch

Schlagwörter: language Spanisch Spitzer, Leo Vossler, Karl Frings, Theodor Gamillscheg, Ernst Winkler, Emil Hilka, Alfons Rohlfs, Gerhard Lerch, Eugen Wagner, Max Leopold Bonn Madrid Italien

Zitiervorschlag: Friedrich Schürr an Hugo Schuchardt (15-10388). Pörtschach, 20. 08. 1925. Hrsg. von Bernhard Hurch (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2712, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2712.


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Pörtschach a/ See, 20. August 25.
Villa Leonstein.

Hochverehrter Herr Hofrat !

Verzeihen Sie, bitte, daß ich Ihre freundlichen Zeilen erst heute beantworte. Ich hatte in Freiburg vor meiner Abreise noch alle möglichen alten Texte für meine Arbeit am Epos durchzusehen und auch sonst alle Hände voll zu tun, war ferner auch von zu Hause aus durch eine Nachricht beeinträchtigt worden von einem schweren Unfall, der meinem jüngeren Bruder durch ein Auto zugestoßen war. Sobald ich daher von meinen Arbeiten loskommen konnte, reiste ich nach Klagenfurt zu meinen Leuten, um dort nach dem Rechten zu sehen. Zum Glück fand ich dort meinen Bruder nach einer Gehirnerschütterung u.s.w. wieder leidlich hergestellt. So bin ich denn für einige Tage zu Spitzer übersiedelt um den See und anregende Gesellschaft in nächster Nähe zu genießen. Vossler ist mit Familie hier und gestern abends kam auch Frings aus Bonn an.

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Auf der Durchreise habe ich in Innsbruck einen Tag haltgemacht und Gamillscheg und Winkler besucht. Wegen Innsbruck mache ich mir nicht viel Illusionen. Gamillscheg war undurchdringlich und ich wollte auch nicht selbst davon anfangen, eher konnte ich mich mit Winkler aussprechen. Die Sache liegt nämlich so: Winkler soll Ordinarius werden, ist ja auch schon seit längerer Zeit dafür vorgeschlagen, und er wird es vermutlich auf Kosten der zweiten Lehrkanzel, an der das Ministerium wieder ein willkommenes Sparobjekt finden wird. Das dürfte alles schon abgemacht sein, d.h. aus dem Verhalten Gamillschegs und früheren Äußerungen von ihm glaube ich schließen zu sollen, daß er selbst die eine Lehrkanzel für abbaufähig hält und in diesem Sinne und zu Gunsten der Ernennung Winklers mit dem Wiener Ministerium Abmachungen getroffen hat. Die Innsbrucker Fakultät wird wohl für Gamillschegs Lehrkanzel einen Vorschlag machen – und ich glaube annehmen zu dürfen, daß ich auch darauf stehen werde –, das Ministerium aber wird ihn in seinen Akten begraben. Es wird also in günstigstem Falle ein |3| platonischer Vorschlag für mich daraus. Auch in Deutschland wird sich in nächster Zeit nichts für mich ergeben. In Breslau soll nach Hilka laut seiner eigenen Mitteilung an Gamillscheg Rolhfs [sic] an 2. Stelle stehen. Habe ich mir's mit den Positivisten nördlich des Mains durch meine Stellungnahme verscherzt oder kommt man in Preussen als Süddeutscher und gar Österreicher erst in letzter Linie in Betracht oder ist es der Umstand, daß ich in Deutschland niemand habe, der für mich eintritt, ich weiß nicht, warum man mich übergeht.

Auf meiner spanischen Reise habe ich an allen Ecken und Enden deutsche Romanisten getroffen: Gamillscheg in Granada, Lerch und Hilka, Mulertt, Hämel und auch Wagner1 in Madrid. Von letzterem hörte ich einen Vortrag über Zigeunerisch und Spanisch im Centro de estudios históricos und sprach nachher ein paar Worte mit ihm. Was er aber eigentlich macht und welches seine ständige Adresse ist, konnte ich nicht erfahren. Er sieht sich von den deutschen Kreisen geflissentlich zurück, kam auch nicht zu dem Vortrag, den ich im deutschen Institut hielt.

Obwohl ich eigentlich ziemlich abgearbeitet und kaput [sic] bin, kann ich hier nicht an Erholung |4| denken, sondern muß zunächst mein Epos beenden. Dann aber hoffe ich, noch für einige Wochen nach Italien fahren zu können.

Vossler und Spitzer lassen Sie ergebenst grüßen und auch ich grüße Sie ergebenst mit dem Ausdruck steter Verehrung.

Ihr

FriedSchürr.


1 Zu Wagner vgl. die Briefedition und dazugehörende Einführung hier im HSA.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 10388)