Friedrich Schürr an Hugo Schuchardt (14-10387)
von Friedrich Schürr
an Hugo Schuchardt
29. 07. 1925
Deutsch
Schlagwörter: Syntax Sprachwissenschaft Baskisch
Spanisch Trombetti, Alfredo Appel, Carl Hilka, Alfons Baskenland San Sebastian Madrid Graz Straßburg Österreich Schuchardt, Hugo (1925) Schuchardt, Hugo (1925) Trombetti, Alfredo (1925)
Zitiervorschlag: Friedrich Schürr an Hugo Schuchardt (14-10387). Freiburg im Breisgau, 29. 07. 1925. Hrsg. von Bernhard Hurch (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2711, abgerufen am 23. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2711.
Freiburg, 29. VII. 25.
Schwaighofstr. 20.
Hochverehrter Herr Hofrat !
Vielen Dank für die freundliche Übersendung Ihrer Akademie-Anzeige über Trombettis baskisches Buch.1 Ich bin nun selber auf meiner Spanienreise ganz kurz im Baskenlande gewesen, d.h. in S. Sebastián, und ohne jegliche Vorbereitung für das Baskische. Ich habe zum ersten Male baskisch gehört, aber natürlich kein Wort verstanden. Immerhin machte es mir den Eindruck einer wohllautenden, wenngleich etwas schnarren|2|den Sprache. Die Bevölkerung sehr ordentlich und sympathisch. Haben Sie meine Karte von dort erhalten? Die spanische Reise war sonst mehr der Übung im Kastilischen gewidmet, da ich ja hier auch span. Kurse abhalten muß (Brotberuf). So war ich hauptsächlich in Madrid, aber auch Toledo, Granada, Sevilla, Córdoba, Burgos gewesen und sehr befriedigt von der ganzen Reise.
Im SS. habe ich zwar über französische Syntax gelesen, sonst aber die Sprachwissenschaft ganz vernachlässigt. Ich bin nämlich z. Zt. immer noch mit meinem Buche über das altfranzösische Epos beschäftigt, das, wie ich hoffe, in einigen Wochen das Licht der Welt erblicken wird.2 Das Philologische, Stoffgeschichtliche sowie die Epentheorien treten in meiner Darstellung etwas in den Hintergrund gegenüber dem Versuche, die Denkmäler, so wie wir sie haben, |3|stil- u. geistesgeschichtlich zu interpretieren. Daher der Untertitel: „Zur Stilgeschichte und inneren Form der Gotik”. Einerseits interessiert mich eine Problemstellung dieser Art, andererseits muß ich mich notgedrungen als Literarhistoriker legitimieren, um bei den heutigen Strömungen in Deutschland Aussicht auf Weiterkommen zu haben.
Meine Hoffnungen auf Graz muß ich wohl endgiltig begraben. Das Angebot des Ministerium ist so, daß es Selbstmord wäre, es anzunehmen: eine nichtetatmäßige Stelle („Honorardozentur”) mit 1/3 der Bezüge, die ich hier habe, und vagen Versprechungen für eine|4| ferne Zukunft. Ich sollte mit andern Worten wieder dort anfangen, wo ich vor 10 Jahren als Anfänger in Strassburg stand.
In Breslau wird jetzt Appel zurücktreten. An 1. Stelle soll Hilka, an 2. Olschki vorgeschlagen sein. Ob bei der Verschiebung, die damit einsetzt, irgend etwas für mich herauskommt, bleibt fraglich, denn ich habe in Deutschland niemand, der für mich eintritt. Ginge ich aber unter den genannten Umständen nach Graz, so hätte ich in Österreich nichts erreicht u. würde mir die Aussichten in Deutschland auch noch verscherzen.
In Verehrung
grüßt Sie
ergebenst Ihr
FriedSchürr
1 Es handelt sich dabei wohl um Schuchardt (1925b). Dieser Nachtrag zu Schuchardt (1925a), wo allerdings auch schon verschiedentlich auf Trombetti eingegangen wurde, ist nämlich ausschließlich Trombettis Origini della lingua basca gewidmet. Trombettis (1926) Buch ist zwar zu diesem Zeitpunkt noch nicht erschienen, doch hatte der Autor Schuchardt regelmäßig mit den fertiggestellten Druckfahnen versorgt, wodurch letzterer diese Auseinandersetzung bereits vor dem Erscheinen des Bandes veröffentlichen konnte.
2 Es wird 1926 erscheinen ( Schürr 1926 ).