Friedrich Schürr an Hugo Schuchardt (07-10380)

von Friedrich Schürr

an Hugo Schuchardt

Freiburg im Breisgau

20. 05. 1923

language Deutsch

Schlagwörter: language Deutsch Schuchardt, Hugo (1923) Vossler, Karl (1923)

Zitiervorschlag: Friedrich Schürr an Hugo Schuchardt (07-10380). Freiburg im Breisgau, 20. 05. 1923. Hrsg. von Bernhard Hurch (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2704, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2704.


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Freiburg, i. Br. 20. V. 23
Schwaighofstr. 20.

Hochverehrter Herr Hofrat!

Schönen Dank für Brief u. Karte. Das Feuilleton Wassermanns habe ich gelesen u. muß Ihnen Recht geben. Nach der abgedruckten Probe zu urteilen kann ich mir von der Borchardtschen Übertragung nichts versprechen, wie mir auch sein „Neues Leben”, das ich schon einmal in Handen hatte, nicht gefiel. In der willkürlichen Vergewaltigung der deutschen Sprache kann ich keine künstlerische Schöpfung erblicken, namentlich wenn sie zur Maniriertheit wird. Und die Übertragung des Prinzips der Vokalverschleifung auf das Deutsche ist bei dem ganz anderen deutschen Vokaleinsatz ein aufgelegter Blödsinn. Jeder Phonetiker u. jeder Gesangslehrer hätte das dem Herrn Borchardt sagen können.1

Zu Ihren brieflichen Ausführungen u. denen in dem Aufsatz über „Individualismus”2 werde ich vielleicht nächstens schon gelegentlich |2| einer Besprechung von Vosslers Aufsatz über Sprachsoziologie Stellung nehmen können.

In Verehrung

Ihr sehr ergebener

FriedSchürr


1 Es ist davon auszugehen, daß diese Problematik Borchardt selbst bewußt war, daß es ihm aber um eine absichtlich neue Form der Übertragung ging.

2 Schuchardt (1923).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 10380)