Wilhelm Wundt an Hugo Schuchardt (2-12897)
von Wilhelm Wundt
an Hugo Schuchardt
27. 02. 1886
Deutsch
Schlagwörter: Methodologie Dankschreiben Publikationsversand Mücke, Johannes (2015) Schuchardt, Hugo (1884) Paul, Hermann (1886) Schuchardt, Hugo (1885) Paul, Hermann (1886) Schuchardt, Hugo (1886) Paul, Hermann (1886) Wundt, Wilhelm (1886) Wundt, Wilhelm (1886) Wolf, Michaela (1993)
Zitiervorschlag: Wilhelm Wundt an Hugo Schuchardt (2-12897). Leipzig, 27. 02. 1886. Hrsg. von Johannes Mücke und Katrin Purgay (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2681, abgerufen am 08. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2681.
Leipzig, 27. Febr. 86.
Hochgeehrter Herr College!
Besten Dank für Ihre freundliche Zusendung, die ich mit großem Interesse gelesenhabe. Es scheint mir allerdings auch, daß Paul1 in seinenÄußerungen unter „logischem Standpunkt“ und „Methodenlehre“2 etwas anders versteht, als man heut zu Tage mehrund |2| mehr darunter zu verstehen anfängt. Er hat hier wohlnur einen Formalismus im Auge, der sich um den Inhalt der Gedanken nicht kümmert, undder doch nachgerade auch unter Philosophen seine Anhänger verliert.
Durch Ihre Brochüre bin ich vor kurzem veranlaßt worden, mich mit der Geschichte undder Bedeutung des Ausdrucks „Gesetz“ etwas näher |3| zubeschäftigen, und habe ich einen kleinen Aufsatz über diesen Gegenstand geschrieben,den ich, sobald ich Separatabzüge erhalte, nicht verfehlen werde Ihnenzuzusenden.3 Es würde mich freuen zu hören, daß Ihnen die dortgeltend gemachten Gesichtspunkte einigermaßen annehmbar erscheinen.
Mit vorzüglicherHochachtung
Ihr
ergebenster
W.Wundt.
1 Zum Verhältnis zwischen Schuchardt und Hermann Paul(1846-1921) vgl. den Briefwechsel in Mücke(2015). Paul (1885) hatte Slawo-deutsches und Slawo-italienisches (Schuchardt1884) durchaus positiv rezensiert und Schuchardts dortgesammelte Erkenntnisse zum Teil in der zweiten Auflage der Principien der Sprachgeschichte (Paul1886c) im darin neuen Kapitel zur Sprachmischung verarbeitet.Schuchardts (1885) Polemik gegen die Junggrammatiker dagegenwurde von Paul(1886b) sehr kritisch rezensiert, worauf Schuchardt(1886a) mit einer „Erwiderung“ antwortete. Diese wurde vonPaul(1886a) noch einmal an Ort und Stelle kommntiert. Daranschließt sich ein kurzer Briefwechsel im Februar/März 1886 an. Auch einBriefwechsel zwischen Paul und Wundt ist belegt: Im Nachlass Wundt imUniversitätsarchiv Leipzig befindet sich ein Brief Pauls, im Nachlass Paul an derUniversitätsbibliothek München liegen zwei Briefe Wundts vor.
2 Vgl. Paul(1886a), siehe auch Schuchardt(1886a). Paul verweist in seinem Kommentar auf eine„Methodenlehre“, die „noch auf anderer Unterlage“ gegründet ist als auf dem„allgemeinen logischen Standpunkt“ (Paul 1886a: 84). Diese andere Grundlage einersprachwissenschaftlichen Methodenlehre ist eine spezielle Wissenschaftslogik dessprachlichen Werdens, in Paul als „Prinzipien der Sprachgeschichte“ in einer derLinguistik vorausgestellten Prinzipienwissenschaft zu formulieren versucht (vgl.dazu insbesondere Einleitung und erstes Kapitel in Paul1886c).
3 Vgl. Wundt (1886a,1886b), beide vorhanden Nachlass Schuchardts (25.3.1. inWolf1993).