Franz Nikolaus Finck an Hugo Schuchardt (02-03035)

von Franz Nikolaus Finck

an Hugo Schuchardt

Unterfrohnstetten

26. 08. 1902

language Deutsch

Schlagwörter: Vergleichende Sprachwissenschaftlanguage Albanischlanguage Volapük Schuchardt, Hugo (1902) Schuchardt, Hugo (1894) Schuchardt, Hugo (1902) Meillet, Antoine (1904) Karst, Josef (1901) Finck, Franz Nikolaus (1902)

Zitiervorschlag: Franz Nikolaus Finck an Hugo Schuchardt (02-03035). Unterfrohnstetten, 26. 08. 1902. Hrsg. von Petra Hödl und Bernhard Hurch (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2610, abgerufen am 01. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2610.

Printedition:


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Unter-Frohnstetten bei Deggendorf in Bayern, den 26. August 1902.

Hochverehrter Herr Hofrat!

Verzeihen Sie, dass ich erst heute für Ihre Sendungen meinen Dank ausspreche! Ich erhielt alles zur Zeit meiner Abreise von Wien, und bin dann einige Zeit unstät umhergeirrt.

Ihre etymologischen Prinzipien und Probleme1 habe ich mit Genuss und Gewinn durchstudiert. Nebenbei habe |2| ich mir aber auch manches erfreuliche Sätzlein gemerkt, das ich Ihnen auf Ihre Besprechung meines Sprachbaus wiedergeben kann, z.B. "nur sollte man, was man nicht begründen will, auch nicht behaupten", "Man darf eine solche Masse wie die von mir um cochlea zusammengehäufte, nicht an einem beliebigen Punkte anknabbern, ohne sich um das Übrige zu kümmern" u. a. m. 2

Sie sehn also schon, dass ich mit Ihrer Besprechung nicht einverstanden bin. Nur insofern hat mich Ihre Kritik erfreut, als sie keine Behauptung enthält, die ich nicht glaube |3| widerlegen zu können. Ich möchte dies auch gern thun, aber dabei selbst den Schein vermeiden, als sei meine Antwort eine Äusserung der gereizten Persönlichkeit. Das Beste wäre vielleicht, Sie durch eine eigens an Sie gerichtete Schrift zu befehden, wie Sie selbst dies Gustav Meyer3 gegenüber gethan haben.4 Ich möchte dies aber nur gern mit Ihrem Einverständnis thun. Ich glaube, dass eine derartige ausführlichere Auseinandersetzung manches Missverständnis beseitigen wird.

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Über Ihre Deutung des armenischen Plurals auf -k'5 hoffe ich demnächst in der Zeitschrift für arm. Phil.6 ein paar Worte sagen zu können.7

Ich werde bis zum Schluss der Ferien hier bleiben, abgesehen von einem Abstecher zum Hamburger Orientalistenkongress,8 und dann nach Marburg gehen.

Mit hochachtungsvollem Grusse

Ihr

ergebener

F. N. Finck.


1 D.i. Etymologische Probleme und Prinzipien (Schuchardt 1902b).

2 Schuchardt verwendet diese beiden Sätze in der genannten Schrift (1902b; s. S. 390 und S. 391), einer langen und sehr direkten Auseinandersetzung mit Antoine Thomas über französische und romanische Etymologien.

3 Gustav Meyer (1850-1900), Indogermanist und Balkanologe, der v.a. zum Albanischen arbeitete, welches er als eigenständige indogermanische Sprache erkannte. 1877 wurde er als Nachfolger von Johannes Schmidt auf die Professur für vergleichende Sprachwissenschaft nach Graz berufen.

4 D.i. "Weltsprache und Weltsprachen". An Gustav Meyer von Hugo Schuchardt (Schuchardt 1894). In dieser Schrift, die sich durchgängig in direkter Anrede an Meyer richtet, verteidigt Schuchardt seine Ansichten zum Volapük und zur Möglichkeit sowie den Vorteilen einer sogenannten Allgemeinsprache.

5 D.i. Armenisch -k' als Pluralzeichen (Schuchardt 1902a) Schuchardt schlägt dort einen georgischen Ursprung für diesen Pluralmarker vor.

6 Die Zeitschrift für armenische Philologie wurde 1901 von Finck gegründet. Ihr Erscheinen wurde nach dem zweiten Band aus finanziellen Gründen 1904 wieder eingestellt.

7 In den in Frage kommenden Heften der Zeitschrift für armenische Philologie findet sich keine Stellungnahme von Finck zur Herkunft der armenischen Pluralendung k'. Ein kurzer Verweis findet sich erst in Heft 1 des 2. Bandes (erschienen am 23.5.1903) und stammt von Antoine Meillet (1904). Er spricht dort in seiner Rezension von Karsts (1901) Historische[r] Grammatik des Kilikisch-Armenischen von "ք mystérieux" und weist auch auf eine Parallele in der Entwicklung des Numerus-Systems im Armenischen und in den südkaukasischen Sprachen hin (vgl. Meillet 1904: 22).

8 13. Internationaler Orientalistenkongress im September 1902. Finck berichtete dort von einer seiner Studienreisen nach Ostarmenien (s. Finck 1902 für einen Auszug).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 03035)