Johann Urban Jarnik an Hugo Schuchardt (20-05084)

von Johann Urban Jarnik

an Hugo Schuchardt

Wien

26. 01. 1879

language Deutsch

Schlagwörter: Gebr. Henninger Hasdeu, Bogdan Petriceicu Förster, Wendelin Gaster, Moses Schuchardt, Hugo (1880)

Zitiervorschlag: Johann Urban Jarnik an Hugo Schuchardt (20-05084). Wien, 26. 01. 1879. Hrsg. von Luca Melchior (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2556, abgerufen am 21. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2556.


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Wien am 26. Jänner 1879.

Hochgeehrter Herr Professor!

Ihre Karte habe ich erhalten und auch zugleich dem Cihac das negative Resultat mitgetheilt; derselbe ist sehr aufgebracht über Hăjdău, dass er Ihre Einleitung1 dem Publikum vorenthält und dies um so mehr, als er annehmen zu können glaubt, dass der zweite Theil, dem sie vorangeschickt werden soll, recht lange auf sich werde warten lassen, was nach dem, was Sie mir gesagt habe, nicht der Fall ist.2

Was die Adressen betrifft, die Sie von Mora für Paris zu erhalten wünschen, so werde ich trachten, in diesem Sinne zu wirken, obgleich er, so viel mir bekannt ist, noch immer nicht zurück ist. Zum Neujahr hat er mir seine Karte von Frankfurt a. M. geschickt.

Sie fragen auch, welche Aussichten |2| ich mit meiner Reise nach Rumänien habe? Ich weiss nicht, wie Sie das meinen, denn dass ich Urlaub habe ist Ihnen nicht unbekannt. Um eine Unterstützung kann und will ich jedoch das Ministerium nicht angehen, aus mehreren Gründen, von denen Ihnen der eine und hauptsächlichste gleich klar sein wird.

Ich gedenke also, womöglich bereits Anfangs April, falls die Geschichte mit der Pest unterdessen aufhört, aufzubrechen und es ist auch möglich, dass ich vorläufig direkt in die Karpathen mich begeben und erst später Bukarest aufsuchen würde.

Diese Tage habe ich einen wenn auch dem Volke gehörigen doch sehr intelligenten Arnauten aufgefunden, |3| bei dem ich seither Unterricht in seiner Muttersprache nehme. An den Sonntagen jedoch, die mir noch bis zu meiner Abreise verbleiben, will ich mit noch einem Herrn eine oder zwei Stunden bei einem Griechen zubringen, um mich über das Neugr. zu orientiren. Alles dies that ich als Vorbereitung zu der ohne die Kenntnis dieser Sprachen zu schwierigen Abfassung der rum. Grammatik. Nun habe ich heute von Seite des Herrn Foerster3 ein billet doux erhalten, welches mich von der Fortsetzung dieser meiner Studien allerdings nicht zurückhalten wird, aber doch darnach ist, deren praktische Anwendung auf einige Zeit noch aufzuschieben. Das Billet (in der Form einer Postkarte) ist folgendermassen abgefasst:

Geehrter Herr!

Da ich aus einem Brief Schuchardt's an den Verleger der Diez'schen Grammatik ersehe,4|4| dass er Sie als Mitarbeiter an der neuen Auflage derselben betrachtet, so halte ich es für meine Pflicht Ihnen mitzutheilen, dass zwar seiner Zeit Herr Prof. Schuchardt um seine Mitwirkung angegangen worden ist, dass ich aber ebensowenig wie der Verleger jemals Ihren Namen mit unserem Unternehmen in Verbindung gesetzt haben.

Hochachtungsvoll

Ihr ergebener

W. Foerster

Sie begreifen wol, dass mich die Sache einigermassen überraschte und dass ich mich fragte, warum ich dies erst jetzt und auf diesem Wege erfahren muss, nachdem ich den mir von Henninger aus freien Stücken gemachten Antrag ablehnen musste. Es ist selbstverständlich, dass nach dieser Enunziation Foersters ich auf jedes, ob selbständiges Wirken, ob blosses Mitarbeiten verzichten muss (das Wort 'verzichten' ist wol hier nicht am Platz!) und ich denke, dass auf diese Weise es Gaster am besten gelingen dürfte das Feld zu behaupten. Die Karte Foersters ist das letzte Wort, das in der Sache gesprochen worden und wird von mir gewiss sorgfältig aufbewart [sic] werden.

Hochachtungsvoll
JUJarník5


1 Schuchardt (1880), vgl. Brief 05079 und die dazu gehörigen Fußnoten.

2 Der zweite Teil erschien im folgenden Jahr ( Hasdeu 1879 ).

3 Wendelin Foerster (1844-1915), Romanist, seit 1876 Nachfolger von Friedrich Diez in Bonn, war mit der Koordination der Arbeiten für die geplante Neuauflage der Diezschen Grammatik samt Anhängen und Spezialgrammatiken betraut worden (vgl. Găzdaru 1954 ).

4 Vgl. auch die Einleitung zu dieser Edition sowie den Brief 05081 und die dazu gehörigen Fußnoten.

5 Am nächsten Tag schrieb Gustav Gröber an Schuchardt (Brief 04031): "daß Sie definitiv von der Rum. Gram. zurückgetreten sind, erfahre ich erst durch Ihre freundl. Zeilen".

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05084)