Johann Urban Jarnik an Hugo Schuchardt (13-05077)
an Hugo Schuchardt
16. 09. 1878
Deutsch
Zitiervorschlag: Johann Urban Jarnik an Hugo Schuchardt (13-05077). Wien, 16. 09. 1878. Hrsg. von Luca Melchior (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2549, abgerufen am 20. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2549.
Hochgeehrter Herr Professor!
Sie sind gewiss bereits im Besitze meines Briefes. Diesmal nur wenige Zeilen, da meine Zeit sehr in Anspruch genommen wird. Zunächst was die Redaction der jüdisch-spanischen Zeitschrift betrifft, die Sie zu erfahren wünschen, weiss ich Ihnen nicht zu berichten. Im Adressenbuch steht weder unter dem Titel Jüdisch – noch Spanisch und auch nicht Zeitung etwas davon. Gefunden habe ich dort: 'Wiener Israelit Wilh. Weiss II. Obere Donaustrasse 55['], die wird es jedoch sicherlich nicht sein. Am Ende ist dies das mit hebräischen Buchstaben gedruckte humanistische Blatt auf die Art des Kikeriki1? Das könnte ich allerdings leicht erfahren, da in der Leopoldstadt beinahe in jeder Trafik Nummern davon vorliegen. Bitte mir daher nähere Auskünfte darüber zu geben.
|2|Nun kommt etwas, was Sie auch interessiren wird; nur dürfte es Sie bedauern lassen, dass Sie Wien resp. Kaltenleutgeben zu frühzeitig verlassen haben. Gestern gegen Abend kommt ein Herr zu mir und stellt sich mir vor als _______ A. de Cihac2, der gegenwärtig in Mainz lebt.3 Interessanter ist aber noch die Thatsache, dass er den versprochenen zweiten Theil seines Wörterbuches4, d.h. die fremden Elemente im Rum. herausgibt und dass bereits 12 Bogen davon gedruckt sind. Er hat mir 11 davon zur Durchsicht geliehen, welche die slavischen Elemente von a-lótru enthält, das Ganze dürfte 30 Bogen stark sein. Die äussere Ausstattung ist ausserordentlich sorgfältig, das Papier ist so schön und stark, wie ich nicht so bald eines gesehen habe, der Druck sehr |3| deutlich. Auch betreffs der Ausführung glaube ich, dass dieser Theil den ersten übertreffen wird, namentlich gefällt mir, dass er bei einzelnen besonders interessanten Wörtern ganze Stellen anführt, in denen die Bedeutung sich zeigt.
Er bleibt wahrscheinlich bis nächsten Montag: sollten Sie daher etwas haben, worüber Sie denken, dass ich mit ihm reden könnte, so würden Sie mich nur verbinden, wenn Sie mir dies mit Postsendung bekannt geben möchten.
Noch etwas. Könnten Sie mir nicht ein Werk nennen, in dem des Unterschiedes zwischen den klassischen Litteraturen und den modernen, speziell denen der romanischen Völker gedacht wird? Ich möchte dies in der Einleitung zu meinen Vorträgen |4| im Frauenerwerbverein anbringen.
Mit Gruss
Wien am 16/9 78
Jarník
1 Seit dem Jahr 1861 (und bis 1933) erscheinende Wiener satirische Zeitung.
2 Alexandru Cihac (1825-1887), rumänischer Philologe und Spachwissenschaftler.
3 Diese Begegnung schildert Jarník auch in seinem Drumul pe care am mers (1909: 530f.) sowie in einem Brief an Ioan Micu Moldovan vom 22.11.1878 (vgl. Jarník, Zavoral, Jarník & Hušková-Flajšhansová 2005 : 61).
4 Cihac (1879), zweiter Teil von Cihac (1870/1879).