Johann Urban Jarnik an Hugo Schuchardt (12-05076)
an Hugo Schuchardt
11. 07. 1878
Deutsch
Schlagwörter: Rumänisch Mussafia, Adolf Müller, Friedrich Miklosich, Franz von
Zitiervorschlag: Johann Urban Jarnik an Hugo Schuchardt (12-05076). Wien, 11. 07. 1878. Hrsg. von Luca Melchior (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2548, abgerufen am 02. 12. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2548.
Wien am 11. Juli 1878.
Hochgeehrter Herr Professor!
Diesmal nur einige Zeilen, um Ihnen zunächst meinen Dank abzustatten, für die rechtzeitig eingeschickte Erklärung, welche ich am vergangenen Mittwoch dem Minister sammt einem Promemoria überreicht habe. Selbstverständlich reichte ich daneben im Dienstwege mein Gesuch um den vollständigen Urlaub ein und nun werde ich mit banger Erwartung der Erledigung entgegensehen. Eine freundliche Aufnahme wurde mir zu Theile, es handelt sich nur darum, ob noch welches Geld da sein wird.
Danke auch für die Wünsche aus Anlass meiner Habilitation; am vergangenen Montag habe ich die Probevorlesung 'über |2| die Wichtigkeit des Studiums des Rumänischen für die andern romanischen Sprachen'1 abgehalten. Nunmehr hat nichts anders zu geschehen, als dass es vom Ministerium bestätigt wird, was hoffentlich keine Schwierigkeiten machen dürfte.
Herr Professor werden wahrscheinlich die Ferien nicht in Graz zubringen; da möchte ich nun ersuchen, wenn Sie irgendwo längere Zeit sich aufzuhalten gedächten, mir Ihre werthe Adresse mitzutheilen, damit ich weiss, wohin ich schreiben soll, falls mir etwas unterkommen sollte. Was mich betrifft, so reise ich übermorgen, d.h. Samstag Abend in meinen Geburtsort Pottenstein in Böhmen ab, wohin ich Alles an mich zu schicken bitte.
Herr Prof. Mussafia reist, wie Sie vielleicht schon wissen dürften, ebenfalls nächsten |3| Samstag und zwar ins Römerbad ab, Prof. Friedrich Müller mit demselben Zuge mit uns nach Pottenstein. Wenn Sie für Hitze und Schwüle sehr empfindlich sind, dann wäre Pottenstein der rechte Aufenthaltsort für Sie: viele Gärten, Wälder, Schluchten und Thäler, in denen auch in der grössten Hitze ein erfrischendes Lüftchen weht. Müller geht schon das dritte Jahr dorthin und was mich betrifft, so werde ich wahrscheinlich zeitlebens keinen andern Sommeraufenthalt aufsuchen, wobei der Umstand, dass er mein Geburtsort ist, keineswegs der Hauptgrund ist.
Meine ganze rumänische Bibliothek habe ich schon eingepackt und abgeschickt, morgen hole ich mir etwas noch von der Universitätsbibliothek und von der România |4| Juna. Leider höre ich, dass das Wörterbuch der Akademie ein gewisser Hofrath Neumann sich aus der letzten über die Ferien ausgeliehen hat.
Neben Rumänisch muss ich auch Vorträge über franz. it. und span. Litteratur wenigstens theilweise ausarbeiten, die ich auf Aufforderung der Herren Proff. Miklosich und Mussafia im hiesigen Frauenerwerbverein2 vom Anfang November bis Ende März (zweimal per Woche) halten soll. Erst gestern habe ich ein dazu passendes Buch (wie mir scheint) von Henri Prat: 'Études littéraires'3 mir ausgeliehen. Aber das ist nur nebenbei; die Hauptsache bleibt Rumänisch, dem ich täglich wenigstens sechs Stunden werde widmen müssen.
Nun aber genug des Gekritzels. Indem ich Ihnen, hochgeehrter Herr Professor, angenehme Ferien wünsche verbleibe ich
hochachtungsvoll Ihr
DrJohann Urb. Jarník
1 Später veröffentlicht in Jarník (1878b) und in rumänischer Übersetzung ( Jarník 1917a ), vgl. die Einleitung zu diesem Briefwechsel.
2 Der Wiener Frauenerwerbverein wurde 1866 gegründet, um Mädchen und Frauen bzgl. Ausbildung und Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit zu fördern und betrieb mehrere Schulen und andere Bildungsangebote, darunter auch Latein- und Französischkurse. Jarník hielt dort, nach eigenen Angaben im Brief an Ioan Micu Moldovan vom 25.9.1878, "un curs despre istoria de literatură franţuzească, italiană şi spaniolă" ( Jarník, Zavoral, Jarník & Hušková-Flajšhansová 2005 : 57).
3 Es kann sich um einen der 9 Bände (und mehreren Teilbände) von Prats Études littéraires ( Prat 1847-1868 ) handeln.