Johann Urban Jarnik an Hugo Schuchardt (11-05075)

von Johann Urban Jarnik

an Hugo Schuchardt

Wien

06. 07. 1878

language Deutsch

Schlagwörter: Universität Wien Academia Română (Bukarest) Hofbibliothek Österreichische Nationalbibliotheklanguage Rumänisch Mussafia, Adolf Miklosich, Franz von Heinzel, Richard Cihac, Alexandru (1870) Cihac, Alexandru (1879) Schuchardt, Hugo (1870)

Zitiervorschlag: Johann Urban Jarnik an Hugo Schuchardt (11-05075). Wien, 06. 07. 1878. Hrsg. von Luca Melchior (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2547, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2547.


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Hochgeehrter Herr Professor!

Es wird Sie gewiss interessiren zu erfahren, wie weit ich mit meiner Habilitation bin. Vergangenen Mittwoch habe ich vor einer Commission, bestehend aus den Herrn Proff. Mussafia, Miklosich1 und Heinzel2 und dem Decan Loschmidt3, das Colloquium bestanden und nächsten Montag soll ich von 11-12 den Probevortrag halten. Dann gehen die Acte unmittelbar an das Ministerium ab, wohin ich mich am Mittwoch selbst zu begeben gedenke, um mich um die Bewilligung des Urlaubs persönlich zu bewerben. Das Gesuch selbst muss jedoch den gewöhnlichen Dienstweg gehen. Ich erlaube mir daher Sie zu ersuchen, mir die versprochene Erklärung möglichst bald zu schicken, dass ich dieselbe spätestens am nächsten Mittwoch erhalte.

Herr Prof. Mussafia hat mir etwas erwähnt, dass Sie zu Ostern geäussert haben, nach einiger Zeit wieder nach Wien kommen zu wollen |2| Sollte dies etwa jetzt geschehen, dann würde es allerdings sehr gut sein, da wir uns über das vor Allem Notwendige mündlich viel besser einigen könnten, als dies auf schriftlichem Wege geschehen kann.

Meinen letzten Brief haben Sie wol erhalten und Herrn Prof. Mussafia die gewünschten Nachrichten über das Tobelbad schon gegeben. Was nun die von mir zunächst zu beachtenden Bücher betrifft, so sind dies meiner Meinung nach: Ciparius Principia und Analecta, die früheren rum. Grammatiken besonders Pumnul4, Cipariu's Studie darüber in seinem Arhivă pentru filologia şi istoria, einige Wörterbücher, so Bariţ5, Cihac6, Buda-Pest7 und das der Akademie8, Volksmärchen und Volkspoesie. Dies für die Ferien. Nach denselben ein gründliches Studium einer in der Hofbibliothek befindlichen rumänischen Bibel9. Dann würde ich den ganzen Winter hindurch Alles excerpiren, was hier zu erreichen ist und Anfangs April des nächsten Jahres würde ich mich, wenn das |3| Ministerium darauf eingeht, nach Rumänien begeben, um daselbst einerseits Bücher und Handschriften zu Rathe zu ziehen, die mir hier nicht zugänglich sind, andererseits in den verschiedensten Gegenden mit dem Volke zu verkehren, um unseren Angaben das notwendige Gewicht zu geben. Ich glaube, dass dies nützlicher sein wird, als wenn ich die zwei Monate des Sommersemesters vortragen sollte. Die Hauptsache ist nur, dass ich jetzt den vollständigen Urlaub von der Realschule erwirke, was um so leichter sein dürfte, als eine andere Kraft für Französisch bereits ernannt worden ist.

Einer baldigen Antwort entgegensehend

verbleibe ich hochachtungsvoll

Wie am 6. Juli 1878.
Dr Joh.Urb.Jarník


1 Franz Xaver Ritter von Miklosich (Fran(c) Miklošič) (1813-1891), Sprachwissenschaftler und Jurist, einer der bedeutendsten Slawisten seiner Zeit und Balkanist ante litteram.

2 Wahrscheinlich handelt es sich um den germanistischen und skandinavistischen Mediävisten und Altphilologen Richard Heinzel (1838-1905).

3 Johann Josef Loschmidt (1821-1895), Professor der physikalischen Chemie an der Universität Wien, im Jahre 1877-1878 Dekan der philosophischen Fakultät derselben (vgl. Boltzmann 1905 : 237).

4 "besonders Pumnul" nachträglich eingefügt. Es handelt sich um Pumnul (1864) .

5 Baritz & Munteanu (1853-1854) .

6 Cihac (1870), erster Teil von Cihac (1870/1879). Schuchardt selbst hatte dieses Werk lobend rezensiert (vgl. Schuchardt 1870).

7 Maior (1825) .

8 Es handelt sich wahrscheinlich um eines der ersten rumänischen Wörterbücher, herausgegeben von Laurianu & Massimu (1871-1876) im Auftrag der Societatea Academică Română, der späteren Academia română.

9 Möglicherweise die sogenannte Biblia de la Bucureşti bzw. Biblia lui Şerban Cantacuzino, erste vollständige Übersetzung der Bibel ins Rumänische, veröffentlicht 1688 in Bukarest dank der Unterstützung des dortigen Wojwoden Şerban Cantacuzino, ein Exemplar derer in der damaligen Wiener Hofbibliothek und heutigen Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt ist.

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