Simon Rutar an Hugo Schuchardt (03-09871)

von Simon Rutar

an Hugo Schuchardt

Split

04. 02. 1884

language Deutsch

Schlagwörter: Sprachprobe Soziolinguistik Sprachkontaktforschung/Kontaktlinguistik Entlehnung phonolog. Prozesse / Lautentsprechungen / Korrelationen Sprachen auf dem Balkanlanguage Italienische Dialektelanguage Deutschlanguage Slowenisch

Zitiervorschlag: Simon Rutar an Hugo Schuchardt (03-09871). Split, 04. 02. 1884. Hrsg. von Birgit Dorn (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2527, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2527.


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Hochgeehrter Herr Professor!

In Beantwortung Ihres sehr geschätzten Schreibens vom 22.I.84 übersende ich Ihnen beiliegend ein Probestück des italienischen Dialectes1, wie er vom gemeinen Volke gesprochen wird. Hiebei ist nur zu bemerken, dass das Italienische von gebornen Slaven so gesprochen wird. Gewöhnlich und zu Hause spricht nämlich das Volk immer slavisch. Nur manchmal auf der Gasse, oder mit ei|2|nem Italiener spricht es auf die geschilderte Weise. Nur die Mägde sprechen mit Vorliebe und gewöhnlich auch untereinander das verdorbene Italienisch.

Das Probestück rührt aus der Feder des Gerichtsadjuncten Karlovac2 und enthält durchaus keine Uebertreibungen. Die unterstrichenen Wörter sind slavisch, meist nur stehende Ausdrücke und Phrasen.

Puntari stammt aus dem Deutschen und musste nach Dalmatien durch die Vermittlung des Slovenischen gelangt sein. Es kommt von „Bund, Bündtner |3|= Aufrührer“ her. Der Croate kennt zwar buna & buniti (Aufruhr, aufrühren), aber daraus müsste im Sinne dieser Sprache bunitelj entstehen, nie aber puntar.

In san wird das einfache n ausgesprochen und der Vokal fast gar nicht nasaliert, obwohl auch diese Erscheinung dem Altslovenischen eigen ist.

Hier (und von den Slovenen) wird das k u t in den fremdwörtern verwechselt: „tasa“ anstatt casa, „tanon“ anstatt canon; umgekehrt sagt der Slovene „kiklja“= Kittel, „soldak“= Soldat.

Merkwürdig ist, dass unsere Schü|4|ler, welche deutsch lernen, immer „Profezor“ sagen und das h dorten aussprechen, wo es nicht steht, oder nicht gesprochen werden soll, so zB. hund (= und), dagegen aber Und (= Hund).

Indem ich mich bereit erkläre nach Möglichkeit auch fernerhin Erklärungen und Andeutungen zu geben, zeichne ich mit ausgezeichneter Hochachtung
S. Rutar

Spalato, 4.II.84


1 Die betreffende Sprachprobe ist möglicherweise Teil des im Nachlass enthaltenen Werkmanuskripts 10.1.3.1.

2 Möglicherweise ist hiermit der spätere Rechtsanwalt Dr. Vinzenz Karlovac in Supetar (Brač) gemeint (vgl. Personalnachrichten 02.04.1904: 130).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 09871)