Carolina Michaëlis de Vasconcelos an Hugo Schuchardt (38-7334)

von Carolina Michaëlis de Vasconcelos

an Hugo Schuchardt

Porto

04. 12. 1898

language Deutsch

Schlagwörter: Spinnen und Weben Sachwortforschung Revista Lusitana: Archivo de Estudos Philologicos e Ethnologicos relativos a Portugal Fachsprachen Literaturbeschaffung Sprachprobe José Basto: Antiga Casa Bertrandlanguage Portugiesischlanguage Spanischlanguage Asturischlanguage Katalanisch Leite de Vasconcelos, José

Zitiervorschlag: Carolina Michaëlis de Vasconcelos an Hugo Schuchardt (38-7334). Porto, 04. 12. 1898. Hrsg. von Bernhard Hurch (2013). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.244, abgerufen am 31. 05. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.244.

Printedition: Hurch, Bernhard (2009): "In der Phäakenluft von Graz bin ich erst recht faul geworden." Der Briefwechsel von Caroline Michaëlis de Vasconcellos und Hugo Schuchardt. In: Grazer Linguistische Studien. Bd. 72., S. 19-111.


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Porto – 4 – XII 98

Hochverehrter Herr,

zu Ihrem u. meinem eigenen Besten habe ich nun doch noch das Spinnen gelernt. Freilich ist meine Kunst noch keine reife. Erst gestern Abend, gerade 2 Wochen nach Eintreffen Ihres Briefes, konnte ich bei einer alten Tante meines Mannes in die Lehre gehen, die, allem modernen abhold, Rocken und Spindel stets in Bereitschaft hat. Sie brachte mir bei, wie man den Flachs auf die roca legt, die Papierdüte darüber stülpt, sie unter dem linken Arm in den Gürtel steckt (wozu NB früher in der Frauentaille allgemein ein besonderer Einschnitt (abertura) angebracht wurde) so daß die estriga in richtige Augenhöhe kommt; Daumen u. Zeigefinger der Linken an den Lippen netzt, damit den Faden zieht und glättet (a esquerda tira e lisa o fio), ihn dann mit der Rechten, welche die Spindel hält, hurtig dreht (a direita troce), um ihn, sobald er Armeslänge erreicht hat auf den Schaft der Spindel zur maçaroca zu wickeln, wobei |2| sich diese, die schiefe Ebene, wieder aufwärts bewegt, bis zur Nähe der roca.

Was ich erkunden wollte u. erkundet habe ist daß die mosca – trotz der nicht nur in Wörterbüchern ausgesprochenen, sondern auch im Volke verbreiteten Ansicht – beim Drehen des Fadens nichts zu thun hat. Sie erfüllt ihre Bestimmung den Faden fest zu halten damit er sich nicht abwickelt u. die Spindel nicht zur Erde fällt, so oft eine der beschriebenen Touren beendet ist u. die Spindel einen Moment aufhört sich zu drehen – frei hängend, oder ruhend. Die Illusion, sie sei beim Drehen behilflich, entsteht wohl, weil dasselbe am obern dünnsten Spindelteil vor sich geht u. so rasch daß man das Einwirbeln in die mosca kaum bemerkt.

Ihre Vorstellung von der Sache war also eine durchaus sachgemäße – richtiger als die meine, wie ich beschämt eingestehe.

Über Masche (besser wohl Schlinge?) u. Haken wird natürlich auch disputiert, u. mit einem ungekerbten fuso experimentiert. Beides kann den Zweck der mosca wohl erfüllen - wenn auch weniger hübsch u. rasch. Den Haken |3| erinnerte sich die alte Dame bei grobem Wollspinnen mit einfachem Rohr-fuso gesehen zu haben. Die Schlinge muß man, unserer Meinung nach, immer wieder neu mit dem gesponnenen Faden herstellen. Sie gleicht dann der Klöppel-Schlinge ← d. h. sie ist corredia>. Sie, hochverehrter Herr, scheinen jedoch eine feste Schlinge im Sinn zu haben? –

Meine Angabe, die Spindel sinke zu Boden, sollte durchaus nicht heißen daß sie bei der Arbeit den Boden berührt (außer wenn sie ungewollt der Hand entgleitet). Nur die Abwärtsbewegung, die beim Ziehen u. Drehen des Fadens eintritt, ist gemeint. Doch das alles wissen Sie jetzt sicher schon.

Was nun die Terminologie betrifft, so scheint mir die Sache folgende zu sein: maïnça u. rosca werden ursprünglich verschiedene fuso-Arten betreffen, u. also auch ein verschiedenes Verfahren. Dafür die jetzt thatsächlich vorhandene Konfusion. Bei den fusos oder fusas mit Haken, ist ja das dicke Ende das obere, u. das dünner wird zwischen den Handflächen gedreht. Ich gestehe daß ich bei Wirtel oder Wirbel – geleitet oder verleitet durch den Drehtanz den ich die Spindel ausführen sehe, u. wohl in Gedanken an vertex |4| verticillus immer an die dünnste Spitze gedacht habe, u. zugleich an die oberste, weil das dünnste Spindelende bei den mir bekannten Spindeln eben oben ist.

Mosca etc hat immer nur den Kerb bedeutet; mainça ursprünglich wohl das zwischen den Handflächen (oder auch und den Fingerspitzen?) in Drehung versetzte dünnste Stück eines nicht gekerbten fuso? Die Übersetzung Wirtel aber paßt wenn es wirlich den Spindelring – pesonfrullo – gastão bedeutet für mosca durchaus nicht; u. für maїnça auch dann u. da nicht recht, wo es noch seinen alten Wert hat. –

Meine alte Dame, die aus dem Douro stammt u. à maneira do Douro spinnt, kennt maїnça überhaupt nicht: auch nicht mosca, sondern das galliz. u. nordportug. ósca. Die Papierdüte, welche die correias ersetzt, nennt sie cartalócho (anderwärts auch cartapé) – die rocada de estôpa ist manelo (Bierzo: manela).

An José Leite de Vasconcellos (der übrigens nur unser guter Freund aber kein Verwandter meines Mannes ist) habe ich dieser Tage geschrieben. Ich glaube nicht daß er Ihnen irgend etwas übel genommen hat. Das ist nicht seine Art. Stets überaus |5| beschäftigt, schreibt er selten, u. immer nur im Telegrammstyl. Die Rev. Lus. erscheint in Liss. bei José Basto: Antiga Casa Bertrand, Chiado 15. Bd IV ist dort erschienen. Von V bis jetzt 2 Hefte.

Daß Bücherbestellung u. alle was drinn u. dran hängt Ihnen lästig ist, begreife ich nur zu gut. Ich selbst seufze über zweierlei: daß kein Heinzelmännchen uns all solche Handlangerdienste abnimmt, besonders das Kopieren! u. ferner daß es kein Elixir fertig zu beziehen giebt, von dem im Spitzgläschen, täglich statt aller Nahrung, Leib u. Seele zusammenhielte.

Verzeihen Sie die Flüchtigkeit dieser Zeilen. Aber strafen Sie mich nicht für alle Fehler die ich confusa, com fusos begangen habe, indem Sie mich künftig nicht wieder in Anspruch nehmen. Es macht mir wirklich Freude, auch nur ein Steinchen zu Ihren stolzen Bauten herbeitragen zu dürfen.

In Hochachtung u. Bewunderung
Carolina Michaëlis de Vasconcellos

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mosca 1) Bluteau è aquelle risco que tem o fuso por baixo da ponta e chega até ella aonde anda o fio para não cahir# o fuso
2) Moraes, (2a ed 1823): a abertura espiral da ponta onde se enreda o fio que se vai tirando
3) Constancio darf nur enrosca statt enreda.–
Fehlt bei Caldas Aulete, Coelho etc.

muesca 1.) Acad. (Del ár ## = maxecca hendedura separacion?) nur f Concavidad o hueco que hay ó se hace en una cosa para encajar otra. – In allen sp. Worterb Ähnliches.

la rosca que se hace en los husos

muezca. astur. Rato de Arguelles

hosca Cuveiro P. = muesca o ranura espiral del huso de hilar para que se sujete el hilo y se puedatorcer bien. de hilar para torcer lino ó la estopa

hósquea

ib. v. hosca

hósquia

osca ib. v. oca

oca = ranura espiral que tiene en la punta el huso de hilar.

osquia = osca v. maizo

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hosca (kat Belvitges) – del fus = hueca

osca (kat. Laura) ~ del fus = regata espiral en la punta del fus para lo fil = hueca

hosca (valenc. Escrig)

osca muesca

mosa mossa

hueca (sp.) Acad. muesca espiral que se hace en el huso en la punta delgada para que trabe en ella la hebra que se va hilando y no se caiga el huso.

maïnça: Blut. s.v. – gastão Na sua prosodia declarando – a significação de verticillum diz Bento Pereira maunça ou maïnça do fuso. Em algumas partes do reino se chamará assim o dito gastão. –

Constancio: a parte mais grossa do fuso

Moraes: gastão do fuso, maunça Caldas Aulete: o remate do fuso

maízo Cuseiro ranura o muesca espiral que se hace en la punta del huso para prender en ella el hilo segun se vá hilando ó torciendo el lino ó copo de la rueca. –

gastão Blut. = o bocadinho de chumbo ou latão que cobre a pontinha do fuso e ajuda a torcer o fio!

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 7334)