Carl Gotthilf Büttner an Hugo Schuchardt (01-01463)
an Hugo Schuchardt
18. 08. 1888
Deutsch
Schlagwörter: Dankschreiben Publikationsversand Sprachen in Afrika Sprachkontaktphänomene Konsulate und Botschaften Kontaktvermittlung Literaturhinweise / bibliographische Angaben Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft Die Afrikaanse Patriot Gesellschaft für Erdkunde (Berlin) Kabardinisch Portugiesischbasierte Kreolsprachen Arabisch Portugiesisch außerhalb Europas Niederländisch außerhalb Europas Niederländischbasierte Kreolsprachen Bantu-Sprachen Portugiesisch
Zitiervorschlag: Carl Gotthilf Büttner an Hugo Schuchardt (01-01463). Berlin, 18. 08. 1888. Hrsg. von Gerald Russow (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2309, abgerufen am 07. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2309.
Printedition:
Berlin N. Weinbergsweg w. 18.8.1888
Sehr geehrter Herr!
Für die freundliche Zusendung Ihres Aufsatzes über das Negerportugiesische danke ich Ihnen bestens. Meine eigenen Studien erstrecken sich allerdings nicht auf Gebiete, die vom portugiesischen dauernd berührt sind. Im Damaraland (S. W. Afrika) ist gar nichts portugiesisches und im Swahili wüsste ich nicht, dass irgend ein anderes Wort als meza (Tisch) auf portugiesisch zu deuten waere, waehrend reichlich die Haelfte der Wortstaemme aus Arabien importiert sind.
Leider habe ich auch nur wenig Bekannte in denen für Sie in Betracht kommenden Gebieten. Christaller1kennen Sie schon Consul Vohsen2, der jetzt Generalbe-|2|vollmaechtigter der deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft3 in Sansibar4 ist, war lange Zeit in Liberia und koennte Ihnen vielleicht Auskunft geben, versuchen Sie es doch einmal an ihn zu schreiben.
Vielleicht kann Ihnen auch Herr Héli Chatelain5 (chez m. Paul Chatelain, Verleger, La Ferrière, Schweiz) welcher neuerdings aus Benguela zurückgekehrt ist, einige Auskunft geben.
In "Capello and Ivens6, from Benguela to the Territory of Yakhe finden Sie vielleicht auch etwas brauchbares.
Haben Sie Koelles polyglotta africana7 durchgesehen. Wenn Sie sich mehr mit den allgemeinen Zügen der Bantu bekannt machen wollen, so muss ich Sie zunaechst auf Bleeks8 comparative grammar verweisen. Von mir interessieren Sie vielleicht der Aufsatz in der Zeitschrift der Berl. Ges. für Erdkunde9 1880 und |3| der in der Steinthalschen Zeitschrift für Voelkerpsychologie10 1885.
Da Sie sich so viel mit den Portugiesen in Afrika bereits beschaeftigt haben, so möchte ich Sie fragen, ob Sie sich nicht einmal heranmachen wollten, die Geschichte der Portugiesen in Innerafrika, beziehentlich die Geschichte Innerafrikas nach den portugiesischen Berichten zu studiren. Jetzt nach dem wir die Geographie Afrikas einigermassen kennen, werden wir die alten Berichte verstehen lernen. Es handelt sich dabei vor allem um eine Aufklaerung der Voelkerwanderungen in Afrika seit 1500 und der Zusammenbrueche der alten afrikanischen Reiche, des "Mono Mo-tapa11 (Grossfürst) und seiner Vasallenstaaten, durch die Züge der Dschagga12 oder Wa-shimba13 veranlasst. Das was die neuesten Reisenden an Metallarbeiten und Geweben aus Innerafrika (südl. Congogebiet) mitgebracht, laesst nur ahnen, welche (allerdings barbarische) Cultur dort zusammengebrochen. Die Schwierigkeit der Geschichts-|4|schreibung liegt nur in der Identifizirung der Namen, wobei allerdings weniger portugiesische Worte bantuisirt, als Bantuworte portugisirt sind, sowie darin dass statt der Koenigsnamen meist nur die Koenigstitel (wie der Pharao in der Bibel) der Haeuptlinge angeführt sind.
Wenn Sie das Kaphollaendische (Hollaendisch vom Hottentottischen beeinflusst) interessirt, so mache ich Sie darauf aufmerksam, dass eine Reihe von Jahren hindurch (vielleicht auch jetzt noch) eine Zeitung: "de zuid afrikaanse patriot14" in reinsten Kaphollaendisch am Kap erschienen ist. Naeheres erfahren Sie wohl durch die Buchhandlung von Juta15, Capetown.
Hochachtungsvoll und ergebenst
C. G. Büttner
1 Theodor Christaller verfasste 1892 eine Bantu-Grammatik (van S. Bruwer 1970).
2 Ernst Vohsen (1853-?) war ab 1888 kaiserlicher Konsul in Freetown, Sierra Leone; danach in der deutschen Kolonie Sansibar tätig.
3 So wie anno dazumal die Vereinigte Ostindische Kompanie war diese Gesellschaft in privater Hand für die wirtschaftliche Erschließung für die ab 1884 in Ostafrika erworbenen Gebiete des deutschen Reiches zuständig, woran sie jedoch – nicht zuletzt aufgrund eines 1888 ausgebrochenen Aufstandes – scheiterte und schließlich ihre Souveränitätsrechte mit 1891 an den Staat abtreten musste.
4 Die Insel war dann Jahrhunderte portugiesisch, dann dem Sultanat Oman und seit 1890 Großbritannien zugehörig. Durch den so genannten Sansibar-Helgoland Vertrag mit dem Deutschen Reich kam es zur Festsetzung der Grenze am Festlandbereich. Das Inselterritorium gehörte seinerseits nie zu Deutschland und wurde auch nicht gegen Helgoland getauscht, wie das bei Vielen als historischer Irrtum verbreitet ist.
5 Héli Châtelain (1859-1908) verfasste 1889 ein Werk über Grammatik in Bantusprachen (s.v. Bantu). Er war Sohn eines wohlhabenden Schweizers, betätigte sich lange Zeit in Angola mit umfangreichen Sprachforschungen und war auch Mitbegründer einer Gesellschaft zur Befreiung der Sklaven in Afrika. (s.v. Châtelain Héli).
6 Die portugiesischen Kapitäne Brito Capello und Roberto Ivens waren gemeinsam auf einer Expedition ins südliche Zentralafrika, gemeinsam mit dem bekannten portugiesischen Entdecker Alexandre Alberto da Rocha Serpo Pinto. (Pereira de Lima A.)
7 Sigismund Wilhelm Koelle (1823-1902) war deutscher Missionar und lebte von 1847-1853 in Sierra Leone, 1854 erschien sein Hauptwerk „ Polyglotta Africana “, in dem er aus über 100 afrikanischen Sprache eine Gegenüberstellung von rund 300 Wörtern und Sätzen darbot.
8 Wilhelm Heinrich Immanuel Bleeks (1827-1875) war ein deutscher Philologe, der sich in seiner Studienzeit in Bonn bereits mit afrikanischen Sprachen beschäftigte. Nach einer Zwischenstation und einem Forschungsaufenthalt im Niger fand er im südlichen Afrika sein Hauptbetätigungsfeld. Von ihm wurde der Begriff "Bantu" für die große Sprachgruppe südlich der Sahara geprägt. Ab 1870 widmete er sich ganz dem Studium und der Aufzeichnung der Sprache und Kultur der Buschleute. (Spohr 1971)
9 Die Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin wurde 1828 gegründet und war in ihrer Form die älteste geographische Gesellschaft in Deutschland, die zweitälteste Europas. Ihr Hauptorgan war die genannte Zeitschrift. DKL I 718.
10 Die Zeitschrift wurde in Berlin ab den 1860er Jahren vom Philologen Heymann (Heinrich) Steinthal und Moritz Lazarus herausgegeben, die letzte Ausgabe kam 1890 heraus. Steinthal befasste sich nach seiner Promotion auch mit afrikanischen Sprachen. (NDB).
11 Dabei handelt es sich um das vorkoloniale im südlichen Afrika gelegene Großreich Munhumutapa, auch Monomotapa wiedergegeben.
12 Es handelt sich um einen Bantustamm südlich und südöstlich des Kilimandscharo.
13 Bantuvolk, am Sambesi ansässig.
15 In ihrer Zeit eine Institution in Kapstadt als Buchhandlung und Verlag, die 1853 von J. C. Juta gegründet wurde. Nicht nur im Verlegen von bedeutenden Werken auf Niederländisch, Englisch, Deutsch und Französisch, sondern auch als Herausgeber der damals prominenten niederländischsprachigen Zeitung De Zuid-Afrikaan und der englischsprachigen Zeitschrift The Cape Monthly Magazine genoss die Buchhandlung Geltung. Das Unternehmen existiert noch heute unter der Führung der Duncan Familie. (SESA, Bd 9: 255b-256b. s.v. Juta)