Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (420-11175) Leo Spitzer Bernhard Hurch Institut für Sprachwissenschaft, Karl-Franzens-Universität Graz Zentrum für Informationsmodellierung - Austrian Centre for Digital Humanities, Karl-Franzens-Universität Graz GAMS - Geisteswissenschaftliches Asset Management System Creative Commons BY-NC 4.0 2022 Graz o:hsa.letter.2276 420-11175 Hugo Schuchardt Archiv Herausgeber Bernhard Hurch Karl-Franzens-Universität Graz Österreich Steiermark Graz Karl-Franzens-Universität Graz Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen 11175 Leo Spitzer Papier Brief 4 Seiten Pörtschach 1925-09-17 Hugo Schuchardts wissenschaftlicher Nachlass (Bibliothek, Werkmanuskripte und wissenschaftliche Korrespondenz) kam nach seinem Tod 1927 laut Verfügung in seinem Testament als Geschenk an die UB Graz. Bernhard Hurch 2006 Leo Spitzers Briefe an Hugo Schuchardt Berlin Walter de Gruyter Bernhard Hurch 2014 Die Korrespondenz zwischen Leo Spitzer und Hugo Schuchardt Hugo Schuchardt Archiv Bernhard Hurch

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Hugo Schuchardt Archiv

Das Hugo Schuchardt Archiv widmet sich der Aufarbeitung des Gesamtwerks und des Nachlasses von Hugo Schuchardt (1842-1927). Die Onlinepräsentation stellt alle Schriften sowie eine umfangreiche Sekundärbibliografie zur Verfügung. Die Bearbeitung des Nachlasses legt besonderes Augenmerk auf die Erschließung der Korrespondenz, die zu großen Teilen bereits ediert vorliegt, und der Werkmanuskripte.

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Leo Spitzer Pörtschach 1925-09-17 Hugo Schuchardt Austria Pörtschach am Wörthersee Pörtschach am Wörthersee 14.14639,46.63639 Korrespondenz Leo Spitzer - Hugo Schuchardt Korrespondenz Universität Breslau Universität Innsbruck Wissenschaft Sprachwissenschaft Brief Deutsch
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Pörtschach, 17. IX. 1925. Lieber verehrter Freund,

Ich sandte Ihnen leihweise die "Wortkunst" zur nochmaligen Begutachtung. Wenn ich "Hallo" auf ein Separatum schrieb, so sollte das wohl ein Radiogruß sein, der aber von Ihnen Lebenszeichen erflehte, nicht von mir eins gab.

Nun sind alle Freunde weg und ich fühle mich ein wenig verwaist, ebenso meine Frau. Wir blicken beide melancholisch in die blauen Seefluten, die von weißen Berghäuptern überglänzt sind, und kommen uns plötzlich herbstlich gealtert vor. Keine schönen Frauen und keine geistreichen Männer mehr – die Anwesenden natürlich ausgeschlossen! Wir schließen uns wehmütig aneinander und sinnen über das Gleichnishafte alles Vergänglichen.

Es bleibt nun kein Porträt Ihnen vorzulegen übrig – und doch eines: eben das meiner Frau. Es ist merkwürdig, wie man seine Nächsten nicht kennt. Gerade heuer habe ich sehr wesentliche und überraschende Charakterzüge bei dem teuersten Wesen kennengelernt, Züge, die ihr Bild ganz neu zeigten. Wie schwer ist doch das Verstehen! Ich will mich auf keine Einzelheiten einlassen, möchte aber nur andeuten, daß dies unbegreiflich hohe Werk der Natur schöner ist als am ersten Tag. Sie hat eine Seele – manchmal ein Seelchen: animula vagula blandula, sagte jemand mit Recht auf sie.

Es hat mich sehr gerührt, daß Sie an den kleinen und großen Leiden befreundeter oder bekannter Frauen so innigen Anteil nehmen. Ich glaube auch aus Ihrer Bemerkung über die Wissenschaft schließen zu dürfen, daß Sie mit mir einig sind in der Auffassung, daß die Wissenschaft nicht das Einzige in unserem Männerleben sein kann: mehr gilt mir persönlich der Frauendienst (im edelsten Sinn des Wortes).

Zwei schöne Werke sind in die Leonsteiner Lebensathmosphäre hineingeplatzt: die Lerch'sche Syntax, Eugen Lerch, Historische französische Syntax . Leipzig: Reisland 1925. die ja nun ziemlich vieux jeu ist (nur die Einleitung ist "modern") und das Buch von Sainéan über die "indigenen" Quellen des Französischen. Lazare Sainéan, Les sources indigènes de l'étymologie française . (3 Bde.) Paris: de Boccard 1925-30. Letzteres ist eine tiefgründige und wuchtige Bestätigung meines Wollens, wie ich es in "Aus der Werkstatt..." zu formulieren gesucht habe. Der Autor hat nur knapp vor Abschluß bemerkt, daß ich für dieselben Gedanken (Abkehr vom Konstruktivismus; französische Etymologien des Frz.) kämpfe. Melancholisch stimmt mich, daß einer der größten Romanisten unserer Tage – und dafür halte ich Sainéan – noch keinen Lehrstuhl innehat und überall ein Fremder ist. In Frankreich verfolgt ihn das Wort des großen Rezensors Meillet: "livres que". Als ob seine Anschauungen nicht realer und reeller wären als die "livres" Meillets!

In Breslau hat Rohlfs, wie ich ziemlich bestimmt weiß, Aussicht auf den Lehrstuhl Appels. Das ist ein schwerer Schlag für den älteren Schürr, der nun auch von dem Nichts Winkler von Innsbruck wegkomplimentiert wird. Wenn man denkt, daß M-L. Winkler s.z. zu unfähig hielt, um sich zu habilitieren!

Wir fahren am 1. Oktober auf 7 Tage nach Wien, um Pucksi und die Mutter malen zu lassen Das Aquarell von Puxi hängt noch heute in seinem Haus in Bronxville, N.Y. und um mir einen Frack für Repräsentationen in Marburg zu bestellen, da ich meinen Jünglingsfrack in der Inflationszeit an einen Kellner verkauft habe. Dann geht es direkt nach Marburg, wo wir die Wohnung einrichten müssen. Ab 3. November gehen die Vorlesungen los: 10 Stunden wöchentlich! Brrr!

Lassen Sie bitte vor unserer Abfahrt noch von sich hören, wenn es Ihnen möglich ist. Unsere Beziehungen werden ja durch räumliche Nähe etwas erleichtert.

Alles Herzliche von Ihrem altergebenen Spitzer

In dem neuen "Bulletin de linguistique" hat M-L seine Rancunen an Vossler, Lerch, J. Jordan und mir ausgelassen. Ich huldige angeblich zu sehr "dichterischer" Konstruktion!

Ich lege ein "Leonsteiner Akademie"-Bild bei. Die Reihenfolge der Personen ist (von links nach rechts):

1. Reihe: Frau Prof. Juroszek, Empi, Lotte Zeller (Tochter der Frau Vossler aus 1. Ehe), Frau Vossler, Frau Prof. Frings und Tochter, Prof. Juroszek

2. Reihe: Spitzer, Frieda Thiersch (Schwägerin Vosslers), Prof. Frings, Laura Vossler (aus 1. Ehe Vosslers), Vossler.