Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (282-11042)
von Leo Spitzer
an Hugo Schuchardt
18. 02. 1921
Deutsch
Schlagwörter: Ettmayer, Karl von
Zitiervorschlag: Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (282-11042). Bonn, 18. 02. 1921. Hrsg. von Bernhard Hurch (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2113, abgerufen am 13. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2113.
Printedition: Hurch, Bernhard (2006): Leo Spitzers Briefe an Hugo Schuchardt. Berlin: Walter de Gruyter.
Bonn, 18. II.
Verehrter Herr Hofrat,
Meinem katerigen Schreiben von neulich lasse ich heute ein besseres nachfolgen, das auch Sie – vielleicht oder hoffentlich! – zu erfreuen bestimmt ist.
Ganz in Ihrem Sinne plane ich schon lange eine Sonderfestschrift zu einem im Februar 1922 zu feiernden Geburtstag. Und zwar fällt mir nichts Sinnigeres ein als "Schuchardt raconté par lui-même": ich denke an ein "Schuchardt-Brevier", das die zahlreichen Maximen und Grundsätze allgemeiner Art über Sprache, Kultur und Leben in einzelnen Abschnitten mit Angabe der Provenienz aus Ihren Schriften so zusammenstellt, daß ein einheitliches Lehrgebäude herauskommt, das|2| für den angehenden und noch mehr weiterdringenden Romanisten ein – un- ettmayerisches! – Vademecum sein soll. Es ist dies gewiß der erste Versuch dieser Art in der Sprachwissenschaft und wohl auch nur bei einer so vom Einzelnen ins Allgemeine strebenden Persönlichkeit wie der Ihrigen möglich. Es soll unmilitaristisch, unklassifizierend etc. ausfallen!!
Dieser Plan wäre in anderen Zeiten selbstverständlich nie meiner Brust vor dem Datum des Feiertages entfahren – wenn wir eben nicht in Zeiten materieller Not lebten und nicht die Hilfe finanzieller Natur von außen kommen müßte: Schweizer Adepten haben sich bereit erklärt, die Sache zu finanzieren – wenn sie ein von Ihnen gezeichnetes Exemplar für die Inskription erhalten. Daher muß ich Sie doch von meinem Plan in Kenntnis setzen. Zugleich wünschen die Schweizer Ihr bibliographisches Verzeichnis, à jour geführt bis 1920, an der Spitze des Werkchens.
|3|Ich bitte Sie also um Ihre Einwilligung zu der Idee, die, wie Sie ja wohl wissen, einem für Sie begeisterten Herzen entsprossen ist. – Weiters wäre die Frage zu klären, ob ich aus den mir übersandten Korrespondenzen schöne allgemeine Erwägungen einbeziehen darf. – Endlich brauchte ich Ihre Mithilfe, indem ich Einsicht bekäme in jene Schriften bes. älterer Zeit, die hier in den Bibliotheken nicht zu erreichen sind. – Sollten Sie mich nicht für den richtigen Mann halten, der die gewiß schwierige Aufgabe durchführt, so bitte ich es mir ehrlich zu schreiben, allenfalls einen würdigeren Jünger zu bezeichnen.
Und nun bitte ich noch, meinen Schritt so aufzufassen wie er gemeint ist – als Tribut, den ich dem Mann schulde, von dem ich vielleicht |4|am stärksten beeinflußt worden bin in meiner reiferen Zeit.
Alles Herzliche von dem Ehepaar der
Spitzers