Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (270-11030)

von Leo Spitzer

an Hugo Schuchardt

Bonn

08. 11. 1920

language Deutsch

Schlagwörter: Farinelli, Arturo Gilliéron, Jules Ettmayer, Karl von Spitzer, Leo (1920)

Zitiervorschlag: Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (270-11030). Bonn, 08. 11. 1920. Hrsg. von Bernhard Hurch (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2100, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2100.

Printedition: Hurch, Bernhard (2006): Leo Spitzers Briefe an Hugo Schuchardt. Berlin: Walter de Gruyter.


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Bonn, 8. XI.

Verehrter Herr Hofrat,

Dank für Ihre Sendung. Wer ist beiläufig der Korrespondent (Farinelli?)? Gewisse Einwände habe ich nur gegen die Veröffentlichung von Privatbriefen, sofern der Schreiber nicht ausdrücklich dies wünscht oder nicht nach dessen Tode die Publikation erfolgt.

Was sagen Sie wohl zu meinem Gilliéron-Aufsatz? Mir gefällt er. Ich glaube, diesen großen Mann richtig charakterisiert zu haben. Ob er auf Sie nun ebenso wirkt wie auf mich? – Gilliéron selbst scheint erfreut zu sein, da er mir "Zuckerln" (Schweizer Chocolade!!) schickt und schreibt: "cela vous a servi à montrer que vous êtes un homme supérieur – et bien supérieur à vos superieurs hiérarchiques. Sera-ce une recommandation auprès d'eux? J'en doute." Wie recht hat er doch! Herr v. Ettmayer (oder: von Ettmayer) bewies mir einmal ausführlichst, daß er die Beeinflussung durch romanische Gelehrte nie gebraucht oder in Anspruch genommen habe. – Gilliéron schreibt allerdings auch traurige Dinge, traurig für ihn und Frankreich. Er hat mit allen deutschfühlenden Schweizern gebrochen u. findet die Deutschen en bloc unsympathisch. Mein Gott, mein Gott, wie dumm ist doch die Intelligenz!

Heute sende ich Ihnen den dicken "Hunger"-Wälzer,1 der Ihnen hoffentlich nicht allzu unverdaulich|2| scheinen wird. Ich bin sehr neugierig, was Sie zu meinen "Schlußfolgerungen" sagen. Wenn Sie sich "en veine" fühlen, ein paar Worte über das Buch zu schreiben, so wäre ich sehr dankbar, aber selbstverständlich nur "wenn Sie nichts Besseres zu tun haben". Ferner erfreuen Sie uns – jawohl uns – bitte öfters mit Ihren lieben Zeilen. Wenn man durch so viele Kilometer entfernt ist, so ist es einem, als ob man Sie verlöre, jedenfalls nicht "bei sich" hätte wie in Österreich.

Ergebenste Grüße

Spitzer


1 L.S., Die Umschreibungen des Begriffes 'Hunger' im Italienischen. Stilistisch-onomasiologische Studie auf Grund von unveröffentlichem Zensurmaterial. (Beiheft zur Zeitschrift für Romanische Philologie 68). Halle: Niemeyer 1921;  in der Folge oft nur "Hunger" oder "Hungerbuch" genannt.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 11030)