Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (251-11010)

von Leo Spitzer

an Hugo Schuchardt

Pörtschach

19. 06. 1920

language Deutsch

Schlagwörter: language Neugriechischlanguage Spanisch Vossler, Karl Lerch, Eugen Bonn Rostand, Edmond (1910) Schuchardt, Hugo (1917) Spitzer, Leo (1917) Spitzer, Leo (1920) Renier, Rodolfo (1910)

Zitiervorschlag: Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (251-11010). Pörtschach, 19. 06. 1920. Hrsg. von Bernhard Hurch (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2081, abgerufen am 18. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2081.

Printedition: Hurch, Bernhard (2006): Leo Spitzers Briefe an Hugo Schuchardt. Berlin: Walter de Gruyter.


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Pörtschach, 19. VI.

Verehrter Herr Hofrat,

die Akademie denkt bei cócora an cuculus, Sie an curculro (?), ich allerdings nicht an cogotte, sondern an cog (angesichts Chile. cocoróco 'unverschämt'): neugr. κοκκορας, im Chantecler1coucouroucou, sonst macht der span. Hahn allerdings kikiriki.

Es wäre sehr gefehlt, wenn ich die Überreichung eines Buches, die Ihnen gebührt, von irgendwelchen "Verpflichtungen" abhängig hätte machen wollen. Das muß ein Mißverständnis sein. Jedenfalls habe ich das nie gemeint. Ich hole es trotz Veto nach – schon deshalb nach, weil ich glaube, daß in meinen Aufsätzen viel von mir und meinem wissenschaftlichen Herzblut drinsteckt, wenn auch Vossler meine "Fülle" (20 Artikel) "beklemmend", seines Schülers Lerch unzählige Beispiele für eine Erscheinung "sympathisch" findet. – Güntert hat meine Milz-Besprechung und Ihre Zusätze verwechselt.2 Vosslers Niederettmayerung steht im letzten Heft des Ltbl., daselbst auch eine Rez. Philipp's3 aus meiner Feder, die Sie vielleicht interessieren kann. – Ich lese jetzt zufällig die eleganten Svaghi critici Rod. Reniers:4|2| der Aufsatz über Heine ist für mich sehr bedeutungsvoll gewesen: wieviel habe ich davon nacherlebt, was Rudier äußert!

Was meinen Sie bitte mit dem Romanisten-Revirement? Das innerliche oder das äußerliche? – Von dem MEtSz.5 besitze ich Lieferungen ungefähr bis Cs. In Ungarn gibt es eine katholische und eine jüdische Ungarologie. Sie haben sich zu den Verfehmten gesellt u. werden das durch den Retour-Boycott büßen. – Aus Bonn höre ich, daß man mir meinen durch "kapitalistische" Bedenken begründeten Urlaub verargt – hübsch gesagt von den Festbesoldeten, die den Privatdozenten jede Bezahlung verweigern!

Ergebenste Grüße
Spitzer


1 Edmond Rostand, Chantecler. Paris: Charpentier et Fasquelle 1910.

2 Schuchardts Artikel "Zu den romanischen Benennungen der Milz" wurde von Spitzer im Literaturblatt für germanische und romanische Philologie besprochen; s. schon den Brief vom 7.9.1916, Anm.3. Wie bereits erwähnt fügte Schuchardt dem Band der Sitzungsberichte, in dem sein Artikel erschien, eine Berichtigung hinzu; s. den Brief vom 8.4.1917, Anm.1.

3 Vielmehr von Phillip Fuchs, Das altfranzösische Verbum errer mit seinen Stammesverwandten und das Aussterben desselben. in: Literaturblatt XLI.5-6 (1920): 190ff.

4 Rodolfo Renier, Svaghi critici. Bari: Laterza 1910.

5 Ungarisches Etymologisches Wörterbuch.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 11010)