Hugo Schuchardt Archiv

Pörtschach, 1. VI.

Verehrter Herr Hofrat,

Zu Ihrem bibbiare, bibelödni-Artikel: Stefan Grossmann in der Zeitschrift "Das Tagebuch" (Berlin, Mai 1920 S. 590) schreibt: "Er geigte mit sich windendem Leib. Wenn er ein schmachtendes Pianissimo hinwinselte, so bibberte dabei sein Hinterteil". Bubbern hörte ich vor Jahren von einer kroatischen Jüdin in deutscher Rede im Sinn von unserem pumpern.

Da Sie jetzt etymologisches Wild unangefochten lassen, so möchte ich Ihnen ein sehr interessantes Buch empfehlen, das mehr eine sprachphilosophische Pirsch ermöglicht. Obwohl stilistisch nicht tadellos, auch im Einzelnen nicht druckfehlerfrei, bringt es doch eine Unmenge schöner und neuer Gedanken, wird aber wegen der Jüdischkeit des Autors totgeschwiegen werden: "Die Gesetze der Schriftgeschichte, Konfession u. Schrift im Leben der Völker, ein Versuch von Matthias Mieses" (Wien, Braumüller 1919) 505 S., 40 K.¹ Der Autor ist mir |2|aus meiner militarischen Zensurzeit bekannt. Viele neue Gedankengänge hat mir das Buch angeregt und manche alten in mir befestigt. Auch für die Beurteilung des Deutschtums fällt manche fruchtbare Anregung ab. Doch man soll Bücher ebenso warm empfehlen wie Ärzte – jeder macht doch mit den beiden verschiedene Erfahrungen.

Hat Sie die Einigung Ihres Heimatlandes zu einem einheitlichen Komplex nicht sehr gefreut? Wenigstens ein Lichtstrahl im Dunkel der Zeit!

Ergebenste Grüße

Spitzer