Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (238-10997)

von Leo Spitzer

an Hugo Schuchardt

Pörtschach

24. 04. 1920

language Deutsch

Schlagwörter: Literarisches Echo Literaturblatt für germanische und romanische Philologie Universität Marburglanguage Baskischlanguage Elamitisch Urtel, Hermann Körner, Joseph Meyer-Lübke, Wilhelm Nyrop, Kristoffer Curtius, Ernst Robert Vossler, Karl Lerch, Eugen Küchler, Walther Riegler, Richard Spitzer, Leo (1918) Schuchardt, Hugo (1919)

Zitiervorschlag: Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (238-10997). Pörtschach, 24. 04. 1920. Hrsg. von Bernhard Hurch (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2068, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2068.

Printedition: Hurch, Bernhard (2006): Leo Spitzers Briefe an Hugo Schuchardt. Berlin: Walter de Gruyter.


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Pörtschach, 24. IV.

Verehrter Herr Hofrat,

Gewiß bin ich sehr erfreut, daß Sie mich als Mitkämpfer begrüßen. Ich bin mit Anerkennung bei den wackeren deutschen Kollegen und "Vorgesetzten" nicht verwöhnt. – Urtel hat (gewiß nicht aus Beleidigung sondern) aus Zeitmangel nicht geantwortet. Er ist ein sehr freundlicher und manierlicher Mensch. – In der Verabscheuung der übertriebenen Quellenforschung treffen wir uns, aber was hätten die Bonzen gesagt, wenn ich "nicht einmal" das wenige an "Solidem" geboten hätte! Aber die sagen ja überhaupt nichts...

Ich habe wie gesagt nicht zuerst Frau Morg. befragt, sondern erst, wie Sie dem Buch ersehen können, als ich den Hauptteil abgeschlossen hatte. – Ihre Ablehnung meiner Bücherbitte hatte ich erwartet, ich verstehe Ihre Motive zu gut. Es war auch nur ein Verzweiflungsakt. Vielleicht darf ich einmal bei einer Durchreise einiges nachschauen? – Dank für die Aufklärung über saburra. – Josef Körner ist der Rezensent des " Morgenstern" im Lit. Echo, außerdem Verf. vieler geistreicher Rezensionen im Ltbl. Daß ich für M-L auch ein Separatum erbat, geschah aus dem Grunde, weil dieser solche von der Romanistik abliegende Arbeiten, die noch dazu ins Allzu-Moderne münden, nicht besonders liebt.

Nyrop bietet mir jetzt an, dänische Bücher zu besorgen. Wir sind ja nun eine Bettelnation. – Auf Ihre Arbeit "B.u.E." (diese Initialen können bedeuten: Baskisch und Elamitisch; Berichtetes und Erlebtes etc. aber welches?)1 bin ich sehr gespannt. – Daß Curtius von der Vosslerschule (Klemperer im Anh., Lerch im Ltbl.) nicht gut behandelt wird, hat u.a. sehr reale Hintergründe: Lerch wollte nach Marburg, Klemperer war in Dresden hinter Curtius|2|vorgeschlagen. Spitzers Behandlungsweise durch Lerch ist ganz ähnlich gewesen. Ja, die wissenschaftliche Integrität! Auf der anderen Seite läßt sich gegen Curtius viel sagen – aber so rüpelhaft und undiszipliniert wie Lerch ist er doch nicht! – In Köln bemüht man sich um Lerch, den man nur bekommen wird, nur – um Spitzer nicht hinzubringen. Lorck sagte mir selbst, in Betracht kämen nur Lerch und ich, "daher Lerch". Hübsche Logik! – Einen vor Jahren geschriebenen Aufsatz über "die Technik des Zitierens", den Sie aus dem Winterschlaf geweckt haben, kann ich nicht unterbringen. Bei Küchler habe ich einen Fehlschritt getan. Wüßten Sie einen Ort? – Schade um den guten Riegler, der das Zeug zum echten Gelehrten hätte. Oh kapitalistische Wissenschaft!

Ergebenste Grüße und vielen Dank für den schönen Brief
Spitzer


1 H.S., "Bekenntnisse und Erkenntnisse", in: Wissen und Leben 13.5 (1919): 179-197.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 10997)