Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (218-10977)
von Leo Spitzer
an Hugo Schuchardt
12. 11. 1919
Deutsch
Zitiervorschlag: Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (218-10977). Bonn, 12. 11. 1919. Hrsg. von Bernhard Hurch (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2048, abgerufen am 03. 06. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2048.
Printedition: Hurch, Bernhard (2006): Leo Spitzers Briefe an Hugo Schuchardt. Berlin: Walter de Gruyter.
Bonn, 12. XI.
Verehrter Herr Hofrat,
Karte vom 31.X. kam heute an. So weiter auf dem Wege des Verderbens!
Gilliérons Faillite1 habe ich noch nicht. Mit dem Theoretischen seiner Biene setze ich mich nächstdem auseinander.
Warum bekomme ich nicht jene Arbeit, wo ich vor einem hochkonservativen Forum knapp vor Torschluß ein "scharfblickender" Mann genannt werde, dem etwas entgangen ist? – Der Kardinalfehler unserer Linguisten der abgelaufenen Zeit ist der s.g. naturwissenschaftliche, aufs Experiment gerichtete Einschlag und ihre Abneigung gegen alle Philosophie. Daher jetzt die entgegengesetzten Ideale triumphieren!
Ich werde in Hinkunft die Inhaltsangaben von Boulevard-Dramen hübsch aneinanderreihen oder das frz. Futur mit der französischen Kriegsführung identifizieren, dann wird es |2|mir besser gehen. Oder aber überhaupt nichts machen und die Mitmenschen nicht verstimmen.
Ergebenste Grüße
Spitzer
1 Jules Gilliéron, La Faillite de l'étymologie phonétique. Étude sur la défectivité des verbes. Résumé de conférences faites à l'École Pratique des Hautes Études. Neuveville: Beerstecher 1919. Die "Biene" bezieht sich auf die bereits mehrmals zitierte Abhandlung.