Hugo Schuchardt Archiv

Bonn, 10. VIII. 19

Verehrter Herr Hofrat,

Dank für Ihre Karte vom 29. VII., die ich bei meiner Ankunft vorfinde. – Gam.'s "Tiefe" hat sich in der Fortsetzung als Dimensions- nicht Qualitätsbezeichnung erwiesen: er meint "historische Tiefseeforschung". Dieses deutscheste aller Wörter "Tiefe" sollte eben wegen seines moralistischen Gedröhnes aus der deutschen Sprache hinaus!

Wenn ich Sie besuche, so nur um geistiger Genüsse willen, nicht wegen des pot au feu, auch käme ich nicht "wie einst im Mai" (oder Oktober!) gegen Abend. – Am 18. heirate ich und bereite mir endlich ein erträglicheres, weniger einsames Leben, am 19. wird nach Pörtschach gefahren (Villa Leonstein), wo ich bis Mitte Sept. bleibe. – Was ist dieser "Morgenstern"-Aufsatz?¹ Ein Dolchstoß?

Meine "Antikritik" habe ich Neumann gebeten fortzulassen, da meine befehdende Kraft geschwunden ist und man mich ohnehin schon als enfant terrible der Romanistik behandelt. Immerhin besser als enfant sage zu heißen, werden Sie sagen. Aber ich habe genug von den beständigen Hinweisen auf meine Streitsucht. – Hoffentlich kann N. es noch durchführen. Damit wird Ihre Antikritik ebenfalls wegfallen – wäre Ihnen das |2|unangenehm? – Nach erlin ist Vossler berufen. Heil und Sieg! – Wer kommt nach Dresden? Nicht ich, das ist sicher. "Bewundert viel und viel gescholten" – und nirgends angestellt.

Ergebenste Grüße
Spitzer