Henry Roseman Lang an Hugo Schuchardt (01-06221)

von Henry Roseman Lang

an Hugo Schuchardt

New Bedford, Massachusetts

10. 05. 1889

language Deutsch

Schlagwörter: Bittschreiben Literaturbeschaffunglanguage Englischbasierte Kreolsprachen (Surinam) Guyana

Zitiervorschlag: Henry Roseman Lang an Hugo Schuchardt (01-06221). New Bedford, Massachusetts, 10. 05. 1889. Hrsg. von Silvio Moreira de Sousa (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2007, abgerufen am 22. 03. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2007.


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New Bedford, Mass. U. S. A. 10. Mai 1889.

Hochgeehrter Herr Professor!

Wollen Sie die güte haben mir mitzuteilen ob und was Sie von dem in holländischen Guyana, z. B. zu Paramaribo, gesprochenen negerdialekt wissen und ob Sie im besitze einer sammlung dortigen folklore sind oder wenigstens Kunde von bestehen einer solchen haben? Ich komme eben von besuch bei einer aus Paramaribo gebürtigen und an einen jetzt hier in New Bedford wirkenden holländischen arzt, Dr. Vermyne1 verheirateten dame züruck, die im verlauf der unterhaltung des negerdialects erwähnte den Sie in ihrer jugend lernte und zum teil jetzt noch spricht. Auf meine bitte erzählt sie mir eine spinnengeschichte in diesem negerdialect, die ich am liebsten gleich niedergeschrieben hätte wenn es gerade schicklich gewesen wäre. Der dialect ist englisch und holländisch mit geringen portug. |2|bestandteilen. Hier die wenigen brocken die ich im augenblick auffischen konnte. Pikén áxi feli bigi bōm: eine kleine axt fällt einen grossen baum. Die wochentagen heissen: sōnday, mōnday, two-days-wrogu (work), dri-days-wrogu, four-days-wrogu, frēday, satra. Im namen der drei mittlern tage ist portugiesischer einfluss zu vermuten. Die kinder erhalten beinamen vom wochentag an dem sie geboren sind. Ein montags geborenenes mädchen soll jaba, ein donnerstags geborenen knabe jau heissen. Frau Dr. Vermyne sagte mir es gebe eine übersetzung des Neuen Testaments in diesem dialect.

Leider gebricht es mir hier ganz an der einschlägigen literatur; auch Harvard College library, die mir zur verfügung steht, gibt mir keinen aufschluss darüber ob dieser dialekt schon bekannt und die augenscheinlich reiche folklore schon gesammelt ist. Sobald ich weiss dass es noch Terra incognita ist, werde ich sogleich an die samlung [sic] alles irgendwie erreichbaren gehen. Sie würden mich also zu grossem danke verpflichten, wenn Sie mir umgehends die gewünschte auskunft erteilten.

Mit vorzüglichen hochachtung

Ihr ergebener

Henry R. Lang


1 J. J. B. Vermyne, M.D.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 06221)