Eduard Sievers an Hugo Schuchardt (01-10561)
von Eduard Sievers
an Hugo Schuchardt
11. 06. 1879
Deutsch
Schlagwörter: Publikationsvorhaben Verlage Romanische Sprachen Jena Sievers, Eduard (1876) Sweet, Henry (1877)
Zitiervorschlag: Eduard Sievers an Hugo Schuchardt (01-10561). Jena, 11. 06. 1879. Hrsg. von Johannes Mücke (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2000, abgerufen am 03. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2000.
Jena, 11 Juni 79
Hochgeehrtester Herr College,
Ihren Brief vom 28 Mai kann ich leider erst heute beantworten, da ich die Pfingstferien über nicht in Jena war, hoffentlich trifft Sie die Antwort doch noch unter der angegebenen Adresse. Mir kann ja ein Plan wie der von dem Sie mir Mittheilung machen nur höchst schmeichelhaft sein, ich habe also jedenfalls nichts dagegen einzuwenden. Zumal da in der Weise wie Sie das Büchlein anzulegen gedenken Sie doch der eigentliche Verfasser sein würden.1 Zweifelhaft |2|ist mir nur wie mein Verleger darüber denken wird. Ich würde sofort darüber selbst bei ihm anfragen, wenn ich nicht augenblicklich eine Correspondenz mit ihm vermeiden möchte, der Grammatik2 halber, mit der ich trotz widerholter Versprechungen durch allerhand Anlässe, in specie meine Verlobung in diesem Winter nebst den daraus fliessenden obligaten Störungen, sehr in Rückstand gekommen bin. Frage ich aber einmal in geschäftlichen Dingen an, so bekomme ich gewiss sofort eine Mahnung wegen der Grammatik. Wenn Sie einen Brief an den Verleger nicht scheuen – in dem Sie ja eventuell gleich darauf hinweisen könnten, dass ich Ihnen zustimme – so würde sich am Ende |3|die Sache einfach lösen lassen. Ueber die Differenzpunkte unserer Ansichten würden wir hoffe ich uns auch einigen können; ich weiss sehr gut wie vieles dem hastig ausgearbeiteten Buche fehlt und wie vieles speciell von andern Gesichtspunkten aus aufgefasst und dargestellt werden kann. Ich habe eben immer für einen bestimmten Zweck geschrieben, mit Rücksicht auf die folgenden Bände der Grammatiken, also vorzugsweise auf die Gesichtspunkte geachtet welche für die Entwickelung der ältern indog. Sprachen wesentlich zu sein schienen. In den romanischen Sprachen sind meine Kenntnisse völlig ungenügend, und ich weiss daher nicht ob gerade mein Buch3 eine geeignete Grundlage für eine Neubearbeitung für romanische Leser sein würde. Haben |4|Sie nicht Sweet’s4Handbook of Phonetics, Oxford, Clarendon Press 1877, einmal angesehn? Ich finde das Buch viel handlicher und praktischer als mein eigenes, und ich habe sehr viel daraus gelernt. Vielleicht können Sie halb und halb combinieren was Ihnen nützlich scheint.
Mit herzlichen Grüssen
Ihr
ergebenster
E Sievers.
1 Über das geplante Publikationsprojekt konnte bislang nichts herausgefunden werden.
2 Möglicherweise ist die Angelsächsische Grammatik gemeint ( Sievers 1882 ), die schließlich als dritter Beitrag in der von Wilhelm Braune herausgegebenen Reihe „Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialecte“ bei Niemeyer in Halle erschien.
3 Vermutlich die Grundzüge der Lautphysiologie zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen (Sievers 1876).
4 Henry Sweet (1845-1912) korrespondierte sowohl mit Schuchardt (vgl. die Briefe Nr. 11466-11472 aus den Jahren 1885-1900 im Nachlass Schuchardts) als auch mit Sievers (vgl. 18 erhaltene Briefe im Nachlass Sievers‘ aus dem Zeitraum 1878-1890).