Emil Jellinek an Hugo Schuchardt (2-8743)

von Emil Jellinek

an Hugo Schuchardt

Oran

25. 02. 1882

language Deutsch

Schlagwörter: Sprachprobe Charivari Oranais Sprachkontakt (allgemein)language Lingua francalanguage Sabirlanguage Hebräischlanguage Arabischlanguage Französisch Oran

Zitiervorschlag: Emil Jellinek an Hugo Schuchardt (2-8743). Oran, 25. 02. 1882. Hrsg. von Verena Schwägerl-Melchior (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1936, abgerufen am 05. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1936.


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Oran, den 25t Feb 1882

Sehr geehrter Herr Professor

Ich empfange soeben Ihr Geehrtes vom 16 d. M. u. erlaube mir Ihnen mitzutheilen dass quisqui tiri torban1so zu übersetzen ist

Wo er mir den Turban zog.

Ich werde Ihnen mehrere gedruckte Sprachenproben schicken

Die Zeitung die den ihnen gesandten Ausschnitt abdrucken ließ – Charivari Oranais –2|2|die hiesigen Juden sind durchaus nicht spanischer abkunft, die Mengung spanischer Worte stammt davon her, dass Oran seinerzeit den Spaniern gehört hat.3 Die familiensprache ist jüdisch arabisch Ich erwarte die Proben der Sabir Sprache und mitlerweile sende Ihnen folgende von mir selbst notirten Proben

Moi makash tenir padron Ich bin selbständig - oder wörtlich ich habe keinen Herrn -

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makash bono

Schlecht – oder nicht gut

Trabacar la muker

Trabacar bono

Wer seinen Ehepflichten nachkommt ist ein starker Mann

Toi mirar barca Du siehst nur oder der eigentliche Sinn: du siehst nur an u. kaufst nichts -

Quand toi achetir yo vendir Wenn du kaufst verkaufe ich

Bono besef

sehr gut

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moi morto

Ich bin todt oder besser, ich bin hin

Le didou no tener forca

Der Cumpän hat keine Kraft

Didou ist von dem worte dit donc hergeleithet die franzosen sagen nämlich sehr häufig dit donc sage doch, u. ist dies der Namen der Cumpäne bei den Sabir Sprechenden geworden

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monchou querer achetir tapis bono per li dormir

Herr wollt Ihr einen guten Schlafteppich oder Bettdecke kaufen?

Quand Bou hamama4venir barca roumi chapar

Wenn Bouhama kommt die Christen entfliehen

Ich reise heute nach Tanger und wenn ich Interessantes dort finde schreibe Ihnen

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Stets Ihren Diensten gewidmet
ergebenst

Jellinek


1 Der eine Sprachprobe des Französisch der algerischen Juden wiedergebende Zeitungsausschnitt, den Jellinek mit seinem Brief vom 11.02.1882 an Schuchardt geschickt hatte und der im Schuchardtnachlass (Werkmanuskripte 12.1) aufbewahrt wird, enthält folgenden Passus: „Enfin, jiti por ritorni au tablissement de la Plasa Blanca, mais voilà qu’on mi tir mon torban. ‚Quisqui tiri torban?‘ qui j’y crie. Por Dios lisse moi, mon ami.“ [Hervorhebung V.S.]. Augenscheinlich hat Schuchardt in einem Brief bezüglich der Bedeutung des Satzes nachgefragt. Aus dem Kontext des Zeitungsberichts scheint die Deutung des Worts „quisqui“ als dem Französischen ‚Qu’est-ce que‘ entsprechend wahrscheinlicher als die Übersetzung, die Jellinek hier angibt. Die Sprachprobe des von den Juden in Oran gesprochenen Französisch wird in Schuchardts Arbeit zur Lingua Franca erwähnt (Schuchardt 1909, 460).

2 Im Schuchardt-Nachlass werden mehrere Ausschnitte aus dem Charivari Oranais aufbewahrt (Werkmanuskripte 12.1).

3 Oran war zwischen 1509 und 1792 nahezu ununterbrochen durch Spanien dominiert.

4 Scheich Bouamama oder Boumama (1833 oder 1840-1908) war ein algerischer Kämpfer, der zwischen 1881 und 1883 in der Gegend von Oran einen Aufstand anführte (vgl. Aghrout 2005, 86 ).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 8743)