Rudolf Trebitsch an Hugo Schuchardt (14-11772)

von Rudolf Trebitsch

an Hugo Schuchardt

Unbekannt

07. 12. 1914

language Deutsch

Schlagwörter: Ethnologie, Anthropologie, Volkskunde Publikationsformen, Korrespondenzformen und Bezugnahmen Bittschreiben Fischereigeräte Sprachwissenschaft (Traditionen, Schulen und Strömungen) Erster Weltkrieg Biographisches Zeitschrift für österreichische Volkskunde Fischfang Universitätsbibliothek Graz Volkskundemuseum Wien Etymologie Sachwortforschung Wörter und Sachen Sprachwissenschaft Dialektologie Orthographie Euskaltzaindia - Real Academia de la Lengua Vasca - Académie de la Langue Basquelanguage Baskischlanguage Französischlanguage Latein Baskenland Jaberg, Karl/Jud, Jakob (1928–1940) Hurch, Bernhard/Kerejeta, Maria Jose (1997) Schuchardt, Hugo (1922)

Zitiervorschlag: Rudolf Trebitsch an Hugo Schuchardt (14-11772). Unbekannt, 07. 12. 1914. Hrsg. von Bernhard Hurch (2009). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.186, abgerufen am 30. 11. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.186.

Printedition: Hurch, Bernhard (2009): Zum Verständnis und Unverständnis von Rudolf Trebitsch. Der Beitrag eines Ethnologen zur Baskologie. In: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde. Bd. 63., S. 5-70. http://schuchardt.uni-graz.at/id/publication/1027.


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Wien, 7. Dezember 1914.

Sehr geehrter Herr Hofrat!

Die aus dem Baskenlande heimgebrachte Sammlung hat nun dazu geführt, dass ich an einer grösseren Abhandlung „Zur Volkskunde der Basken“ arbeite. Diese Monographie wird als Supplement-Heft der Zeitschrift für österr. Volkskunde erscheinen.1

Ich möchte Sie nun in zwei Punkten um Ihre bewährte Hilfe bitten:

1.) Was kennen Sie an Literatur über Fischereigeräte? (Netze, Reusen, Angelhaken und Hummerfangkörbe) Ich wäre sehr froh, wenn es mir vergönnt wäre, |2| Ihre Fischereigerätsammlung zu sehen, bevor ich diesen Abschnitt in Angriff nehme.2

2.) Ich will, um der Richtung „Wörter und Sachen“ gerecht zu werden, bei der Besprechung der Objekte deren baskische Namen anführen.3 Deshalb wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir das jetzt eingeführte baskische Alphabet gütigst mitteilen wollten; denn ich weiss, dass in letzter Zeit die Schreibweise der einzelnen Laute, so des sch, des tsch, des ch und dgl. mehr, eine Reform erfahren hat.4 Ich werde natürlich nicht ermangeln, in der Abhandlung auf Ihre gütige Unterstützung |3| hinzuweisen. Hoffentlich gelingt es mir, diese Studie interessant und lehrreich zu gestalten, umsomehr als die bereits vorliegenden Illustrationen in der Wissenschaft bisher ganz unbekannte Dinge darstellen.

Ferner erlaube ich mir die Anfrage, ob Herr Hofrat geneigt wären, jetzt endlich an die philologische Bearbeitung meiner baskischen Phonogramme heranzutreten.5

Für Ihre Bemühungen im voraus bestens dankend und auf eine baldige Antwort hoffend, mit bester Empfehlung

Ihr ganz ergebener

D r Rudolf Trebitsch[Stempel: Dr. Rudolf Trebitsch Wien III, Reisnerstrasse 6]

P.S. Da die Militärbehörde mich zwar |4| als Arzt zu Kriegsdiensten heranzuziehen gedenkt, aber gleichzeitig zur Kenntnis genommen hat, dass ich mich seit 8 Jahren von jeder praktischen medizinischen Betätigung zurückgezogen habe, so hoffe ich selbst im Falle einer Einberufung in so zahmer Weise verwendet zu werden, dass es mir möglich sein wird, mich weiterhin der "Volkskunde der Basken" zu widmen. Es ist in diesem Falle sicherlich mein Glück, dass ich nie gedient habe.


1 Diese Veröffentlichung, von der in der Folge auch noch die Rede sein wird, ist nicht erschienen.

2 Schuchardt hat über viele Jahre hinweg Geräte des Fischfangs gesammelt und für sich ausgestellt. Diese Sammlung, einschließlich seiner Sammlung von Spindeln, Dreschflegeln etc., alles Gegenstände, zu denen HS auch publiziert hat, wurde von der UB Graz dem Volkskundemuseum in Wien übergeben, wo sie unter den Nummern ÖMV/63391-63535 inventarisiert ist. Zum Thema Fischerei, Gerätschaften und Techniken hat Schuchardt auch verschiedentlich publiziert bzw. sein Wissen in die Etymologieforschung eingebracht. Vgl. dazu auch seine exemplarische, wenngleich nicht unumstrittene Etymologie zu frz.trouver, das er aus dem lat.turbare herleitet; die Erklärung verläuft über das Trüben des Wassers als Technik für den Fischfang; aber auch zahlreiche andere Aufsätze aus dem linguistisch-ethnologischen Grenzbereich wie über Sachwortforschung (Dreschflegel, Fischnetzknoten, Kreisel, Tier- und Pflanzennamen u.v.m.), Volkstänze etc.

3 Die „ Wörter und Sachen-Diskussion“ hatte ja innerhalb der Grazer Sprachwissenschaft zu einem unüberbrückbaren Zerwürfnis zwischen Meringer und Schuchardt geführt. Interessanterweise ist der Meringersche Ansatz in der österreichischen Volkskunde der wesentlich folgenreichere geworden, insbesondere auch durch seine eigenen volkskundlichen Arbeiten und durch die Edition der gleichnamigen Zeitschrift, während Schuchardt andere Teile der Dialektologie (vgl. den „Sach- und Sprachatlas Italiens und der Südschweiz“) und ihrer Schulen mitgeprägt hat.

4 Die Vereinheitlichung der Orthographie sollte erst durch die Baskische Akademie Euskaltzaindia vorgenommen werden; zu den damals gängigen Reformvorschlägen hat HS allerdings an verschiedener Stelle Dissens geäußert (vgl. auch den Briefwechsel mit Urquijo, in: Hurch, Kerejeta 1997).

5 HS wird sich der Bearbeitung der Aufnahmen nicht widmen. Die Formulierung dieses Satzes scheint etwas verwunderlich. HSs späteren materialbezogenen Veröffentlichungen, vgl. etwa HS (1922, Brevier/Archiv Nr. 748), nehmen ebenfalls nicht auf die Aufnahmen von Trebitsch Bezug, sondern stützen sich auf seine eigenen Notizen von der Baskenreise im Jahre 1887.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 11772)