Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (113-10874)
von Leo Spitzer
an Hugo Schuchardt
27. 11. 1917
Deutsch
Schlagwörter: Französisch Marty, Anton Herzog, Eugen Spitzer, Leo (1918) Schuchardt, Hugo (1918) Herzog, Eugen (1913) Fourmestraux, M. de/Klinghardt, Hermann (1911) Jones, Daniel (1909) Passy, Paul (1906)
Zitiervorschlag: Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (113-10874). Wien, 27. 11. 1917. Hrsg. von Bernhard Hurch (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1701, abgerufen am 23. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1701.
Printedition: Hurch, Bernhard (2006): Leo Spitzers Briefe an Hugo Schuchardt. Berlin: Walter de Gruyter.
Wien, 27. XI. 1917
Verehrter Herr Hofrat,
Ich bin überrascht, Sie als Rezensenten vor der Drucklegung zu finden,1 und hoffe danach auch, daß Sie als solcher nach derselben auftreten – schon darum, weil ich von Herzen wünsche, daß Sie sehen, wie ein Gedrucktes von einem Geschriebenen bei mir sich unterscheidet: wie Nacht und Tag, wobei das Geschriebene natürlich die Nacht darstellt. Ich wäre sehr glücklich über eine Rezension di Suo pugno – wie Marty, der es nicht erlebte (ipsissima verba), es gewesen wäre. Von "Wechselseitigkeit" kann man nur reden, wenn ein Bündnis inter pares behufs 'Entreflattement' (s'entreflatter wird von deux ânes bei Cl. Marot gebraucht!2) geschlossen ward – nun steht aber hier ein Meister einem Schüler gegenüber und von 'flatter' ist wohl in keinem Fall eine Rede. – Nun bin ich in einer eigenartigen Lage: Thurau will ebenfalls die Arbeit fürs Rom. Museum3 nehmen. Wem soll ich sie geben? Ich habe daher gestern Leuschner-Lubensky telegraphiert, ob er die Arbeit annimmt. Bitte ihm natürlich von dem 2. Anbot nichts zu sagen, mir aber möglichst bald mitzuteilen, welchen Rat Sie mir geben. Diese arme Arbeit macht mir soviel Sorge: ich bin das Manipulieren mit Verlegern nicht gewöhnt. Ich glaube, |2|über Bibliogr. der Intonation des Franz. orientiert am besten die Bemerkung HerzogsHist.-Sprachl.d.Neufrz. S. 83:4 "Die Intonation des Französischen ist noch wenig untersucht. Verhältnismäßig viel Material und manche treffliche Beobachtung bietet das Buch von H. Klinghardt und M.de Fourmestraux, Französische Intonationsübungen, Köthen 1911,5 doch ist das darin enthaltene Beweismaterial und die abgeleiteten Regeln mit Rücksicht auf die pädagogischen Zwecke zu sehr schematisiert ... D. Jones, Intonation Curves, Leipzig, Teubner 1909 hat versucht, die Melodie franz. Rede nach Grammophonplatten in Noten darzustellen.6 Vgl. ferner P. Passy, Les sons du Français, 6. Aufl. 155f.7 Über die historische Entwicklung der frz. Intonation wissen wir gar nichts."
Bitte, Herr Hofrat, um umgehenden Bescheid, 1) ob L&L das Ms. annimmt 2) ob ich es da oder dort drucken lassen soll. Ich bin schon ganz "nervios".
Ergebenste Grüße und Dank
Spitzer
1 Schuchardt hat Spitzers Anti-Chamberlain im Literaturblatt für germanische und romanische Philologie (39, 281-287) besprochen; die Rezension liegt gedruckt allerdings erst 1918 vor, dem Publikationsjahr des Buches.
2 Clément Marot ist ein französischer Dichter des 16. Jahrhunderts; der Referenztext ist nicht eindeutig.
3 Gemeint ist Romanisches Museum: Schriften und Texte zur romanischen Sprach- und Literaturwissenschaft , eine Zeitschrift, die von 1914 bis 1921 in Greifswald erschien.
4 Eugen Herzog, Historische Sprachlehre des Neufranzösischen. Heidelberg 1913.
5 Hermann Klinghardt und M. de Fourmestraux, Französische Intonationsübungen. Für Lehrer und Studierende. Cöthen: O. Schulze 1911.
6 Daniel Jones, Intonation Curves. A Collection of Phonetic Texts. Leipzig & Berlin: Teubner 1909.
7 Paul Passy, Les sons du français, leur formation, leur combinaison, leur représentation. Paris: Firmin-Didot 1906 (6.Aufl.).