Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (101-10862)
von Leo Spitzer
an Hugo Schuchardt
28. 09. 1917
Deutsch
Schlagwörter: Neue Freie Presse Hebräisch Meillet, Antoine Meyer-Lübke, Wilhelm Richter, Elise Meillet, Antoine (1914) Sterzinger, Othmar (1911)
Zitiervorschlag: Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (101-10862). Wien, 28. 09. 1917. Hrsg. von Bernhard Hurch (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1689, abgerufen am 27. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1689.
Printedition: Hurch, Bernhard (2006): Leo Spitzers Briefe an Hugo Schuchardt. Berlin: Walter de Gruyter.
Wien, Mittwoch
Verehrter Herr Hofrat,
Ich bin niedergeschlagen – aus bürolichen, dienstlichen Gründen, aber auch aus persönlichen: ich bin so zerfahren geworden, daß ich überhaupt an der Möglichkeit wissenschaftlicher Wiederbetätigung verzweifeln möchte.
Für heute nur folgende Bemerkungen: die Form tachunieren ist zu bemerken: weist sie nicht auf etwas Hebräisches? Ich glaube, Roda Roda hat einmal in der NFrPr angenommen, das Wort stamme aus dem Rotwelsch. – Ich freue mich zu sehen, daß Herr Hofrat die Theorien des proethnischen Einflusses so ziemlich fallen lassen: ich habe nämlich den in Ztschr.4 angefüllten romano-gallischen "Gleichförmigkeiten" nie viel Überzeugungskraft abgewinnen können.
Ist das, was Meillet von dem Sprachen-Einheitsbewußtsein im Bewußtsein der Sprechenden sagt,1 nicht ähnlich zu fassen, wie die Änderung und Kontinuität des "Ich": das Ich ändert sich sekündlich, aber so allmählich, daß das Identitätsgefühl nicht gelöst wird? Ähnlich bei der Sprache.
Ich habe Othmar Sterzingers Buch für Paul K. doch vom Xenien-Verlag direkt besorgt.2 Also hat der Autor es doch nicht zurückgezogen?
Ergebenste Grüße
Spitzer
Was sagen Sie zur Abkürzung "ML REW" in El.Richtersboche-Aufsatz? Ebenso schön wie " Meyer-L." oder "M.-L." oder " M.-Lübke". So berechtigt REW (nach dem Muster CIL als Quellenwerke), so unberechtigt diese Buchstabenwörter, sofern sie Forschernamen abkürzen sollen.
1 Antoine Meillet, Le problème de la parenté des langues. Bologna: Zanichelli 1914.
2 Othmar Sterzinger, Zur Logik und Naturphilosophie der Wahrscheinlichkeitslehre [etc.]. Leipzig: Xenienverlag 1911.