Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (66-10828)
von Leo Spitzer
an Hugo Schuchardt
19. 03. 1917
Deutsch
Zitiervorschlag: Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (66-10828). Wien, 19. 03. 1917. Hrsg. von Bernhard Hurch (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1653, abgerufen am 29. 03. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1653.
Printedition: Hurch, Bernhard (2006): Leo Spitzers Briefe an Hugo Schuchardt. Berlin: Walter de Gruyter.
Wien, 19. III
Verehrter Herr Hofrat,
Es tut mir mehr als leid – wehe, wenn ich Ihnen nur eine Minute unangenehmer Empfindungen oder des Übelbefindens verursacht habe. Sie wissen, daß ich nur Gutes im Sinne habe. "Was ich brachte, war reine Flamme". Verargen Sie es mir also nicht, wenn ich aus dem kindlichen Tone, den ich Ihnen gegenüber sonst anwende und Ihnen schulde, herausgetreten bin. Sie werden mir es auch keineswegs verargen, wenn ich zwischen meinem, allerdings schwärmerisch geliebten Lehrer und dem ebenso schwärmerisch verehrten Genius Schuchardt eine Beziehung herstellen wollte, die der Wissenschaft dienen sollte. Sie wissen auch, daß unter den romanistischen Fachgenossen wenige idealistisch, gesinnungsehrlich und uninteressiert wissenschaftlich gesund genug sind, um überhaupt eine solche Aufgabe ins Auge zu fassen.
Ich bitte Sie, Herr Hofrat, in unserem Verhältnis keine Trübung eintreten zu lassen und die intermittierenden Pulsschläge nicht zu intermittierendem Korrespondenzverlauf führen zu lassen. Die Frühjahrsmattigkeit bringt ja wohl auch eine gewisse Versöhnlichkeit mit sich – und so bitte ich, mich als Sohn – denn als solchen betrachte ich|2|mich, trotzdem ich nie bei Ihnen gehört habe, also nie Ihr Schul-Schüler gewesen bin – nicht zu verstoßen. Des erbäte ich gern ein schriftliches Zeichen!
Erbebenste Grüße vom altergebenen
Spitzer