Hugo Schuchardt Archiv

Wien, Donnerstag

Verehrter Herr Hofrat,

Mein Vortrag in der Urania war, wie ich glaube, ein s.g. "Erfolg" (ein Wort, das ebenso wie "Schule" eigentlich in die Sprache der Komödianten und Virtuosen hineingehört) – die weltbürgerliche Gesinnung, die sich auf G. Paris berufen konnte, "schlug" sogar bei den erschienenen höheren Offizieren meines Amtes ein. Das Haus war ausverkauft – um im Bühnenjargon weiterzureden. Der Premiere wird übrigens eine Reprise im "Volksheim", ferner ein zweiter Vortrag über "Den Kampf gegen das Fremdwort" in der Urania folgen, ferner ist letzterer Vortrag schon im Volksbildungsheim in zweitklassiger Besetzung gehalten worden und wird nochmals im "Arbeiter Bildungsverein" zur Aufführung gelangen. So, das sind genug der Theater- und Kunstnachrichten. "U.a." wurden natürlich am wenigsten die Fachkollegen gesehen, denn bekanntlich ist die militärische Solidarität viel größer als die fachwissenschaftliche.

Der Begriff der "Schule" scheint mir doppelsinnig: er kann sich auf die tradierte Materie und auf die tradierte Doktrin erstrecken. Es gibt Schulen, die beides vorschreiben, und solche, die nur eines von beiden als conditio sine qua non betrachten: |2|Tobler und Gilliéron gehören zur ersten Kategorie. Stoffgebiet und Stoffbehandlungsweise sind vorgeschrieben. Andere geben nur auf die Methode ( Meyer-Lübke), andere nur auf die Materie (Stengel). Sie sind Meister ohne Schule – fa parte da sè. Was halten Herr Hofrat von dieser Unterscheidung?

Ergebenste Grüße
Spitzer