Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (59-10821)

von Leo Spitzer

an Hugo Schuchardt

Wien

Unbekannt

language Deutsch

Schlagwörter: Saussure, Ferdinand de Gabelentz, Georg von der (1891) Schuchardt, Hugo (1893) Bally, Charles (1905) Schuchardt, Hugo (1912) Schuchardt, Hugo (1917)

Zitiervorschlag: Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (59-10821). Wien. Hrsg. von Bernhard Hurch (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1646, abgerufen am 08. 06. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1646.

Printedition: Hurch, Bernhard (2006): Leo Spitzers Briefe an Hugo Schuchardt. Berlin: Walter de Gruyter.


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Wien, Freitag

Verehrter Herr Hofrat,

Literaturforschung sollte sich auf wissenschaftliche Werke ausdehnen. Einige Beispiele:

Saussures Unterscheidung von parole und langue ist wahrscheinlich deutschen Ursprungs: "Die Sprache als Äußerung, das heißt die Rede" (v.d. Gabelentz Sprachw. 59).1

Herr Hofrat treten in Ihrer Saussure-Besprechung, wenn ich richtig verstehe, mehr als Verteidiger der historischen Motive auf – in Analecta Graeciensia2 scheinen Sie den Über-Historismus zu bekämpfen. Tempora mutantur, ergo: et nos mutamur in ies.

Der Satz der Saussure-Schrift über Bally3 ("es ist im wissenschaftlichen Geist und mit wissenschaftlichen Mitteln geschaffen, aber stellt er eine Wissenschaft dar?") erinnert an den Satz über Salvioni in der Sprachverw.4 Beide sind Satzzwillinge, einem stilistischen Typus entsprossen.

Ergebenste Grüße
Spitzer

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1 Georg von der Gabelentz, Die Sprachwissenschaft, ihre Aufgaben, Methoden und bisherigen Ergebnisse. Leipzig: Weigel Nachfolger 1891.

2 H.S., "Der mehrzielige Frage- und Relativsatz", in: Analecta Graeciensia, Festschrift zur 42. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Wien 1893. Graz: Styria 1893, S.195-217.

3 In seiner Saussure Rezension zitiert Schuchardt Charles Bally, Précis de stylistique. Genf: Eggimann 1905.

4 Gemeint ist wohl H.S., "Zur methodischen Erforschung der Sprachverwandtschaft (Nubisch und Baskisch)", RIEV 6 (1912), 267-281, und nicht der Aufsatz "Sprachverwandtschaft" aus dem Jahre 1917.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 10821)