Walter Richard Voullaire an Hugo Schuchardt (01-12552)

von Walter Richard Voullaire

an Hugo Schuchardt

Paramaribo

10. 02. 1915

language Deutsch

Schlagwörter: language Saramakkanischlanguage Niederländisch (Surinam)

Zitiervorschlag: Walter Richard Voullaire an Hugo Schuchardt (01-12552). Paramaribo, 10. 02. 1915. Hrsg. von Katrin Purgay (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1530, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1530.


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Paramaribo, den 10. Februar 1915.

Verehrter Herr Professor!

Seit ich Ihren Brief vom 12. Juli empfangen habe, befinde ich mich Ihnen gegenüber in einer unangenehmen Lage. Zu einer einigermassen befriedigenden Antwort hätte ich viel Zeit nötig gehabt, und die fehlte mir in jenen ersten August-Tagen gänzlich. Dann aber stockte unsere Verbindung mit Europa eine Zeitlang. Ich vermute, dass Sie ja wohl in diesen unruhigen Zeiten kaum auf eine direkte Antwort gewartet haben werden. – Inzwischen bahnte sich der Verkehr wieder an, wenn auch recht unzuverlässig. Dann aber traf auch bereits ein durch Ihre gütige Vermittelung mir zugesandtes Exemplar des von Ihnen herausgegebenen Buches ein, und damit waren alle weiteren Fragen erledigt.

Lassen Sie mich Ihnen in erster Linie sehr herzlich danken für Das [sic] Buch, welches ohne Zweifel von grossem Interesse für uns ist.

Ich glaube zwar, dass in unserm jetzigen Sprach-Standpunkt sich manches anders gestalten würde, dass wir manches anders auffassen würden. Aber die Frage wäre dabei immer noch, ob Ihr Buch schliesslich doch noch den richtigeren Weg geht.

In unserer Zeit hat jede wissenschaftliche Bearbeitzng [sic] der Negerenglischen Sprache aufgehört.1 Sie wird freilich noch gesprochen, und von uns Missionaren noch fleissig gebraucht. Aber die holländische Sprache hat nun doch immer mehr Feld gewonnen.2

Ich habe mich gefragt, warum Sie die Sprache speziell den Saramaccanern zuweisen. Vieles, was da zusammengestellt ist, wird sich bei den Matuari, den Koffiemakka, den Aukanern, den Paramakkanern ebenso finden.3 Nur hatte man in der Zeit, aus welcher Ihre Quellen stammen, noch erst sehr wenig Verbindung mit jenen genannten Stämmen.

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Ich selbst habe keinen genügenden Einblick, obgleich ich viel mit der Sprache und den verschiedenen Stämmen zu tun gehabt habe. Aber unsere hiesige Arbeit lässt uns keine Zeit, um solche Studien weiter zu verfolgen. Dazu kommt, dass ein jeder Europäer, sobald er einigermassen vertraut mit Sitte und Sprache im Buschland geworden ist, durch Malaria wieder genötigt wird, sein Arbeitsfeld zu verlassen. Demzufolge arbeiten jetzt fast nur noch Eingeborene unter den Buschnegern, und diese haben wenig Sinn für Sprach-Vergleichung.

In gewissem Sinne ist es providentiell, dass Ihr Buch gerade jetzt kam. Ich will in der nächsten Woche eine längere Fahrt gerade in das Bereich der Saramaccaner unternehmen, und zwar bis in ihre unberührten Dörfer. Da bin ich Ihnen ganz besonders dankbar für den Schatz, den Sie da gesammelt haben. Unsre Evangelisten klagten so wie so, dass sie die Leute so schlecht verstehen könnten. Da werde ich manches vegleichen [sic] und vieles Neue lernen können.

Herr Jonathan Kersten, welcher vor 30 Jahren mit Ihnen korrespondierte, ruht jetzt aus in Herrnhut, Königreich Sachsen. Eine nähere Bezeichnung der Adresse ist mir nicht bekannt, aber auch nicht nötig, da Herr Kersten in Herrnhut überall bekannt ist. Er wird sich ganz gewiss für die Herausgabe Ihres Buches interessieren.

Empfangen Sie, Herr Professor, nochmals meinen herzlichen Dank, auch im Namen der Behörde, welcher ich vorstehe, und gleichzeitig die Versicherung der grössten Hochachtung.
Ihr ganz ergebener

R. Voullaire. Ep.
Präses der Mission der Evangelischen Brüdergemeine in Suriname.


1 Auch nach Schuchardt sollte es noch über 45 Jahre dauern, bis sich Jan Voorhoeve der Sprache annahm ( Voorhoeve 1961 ).

2 Nach kurzer englischer Herrschaft, während der sich das Kreol herausbildete, war Suriname seit 1667 niederländische Kolonie.

3 Ethnologue.com zufolge ist Matawari (Matuari, Matawai) ein Dialekt von Saramaccan, Aukan (Ndyuka) und Paramaccan sind Dialekte des Eastern Maroon Creole. Glottolog.org zählt Matawai, Aukan (Ndyuka) und Paramaccan zu Ndyuka, während Saramaccan nicht weiter unterteilt wird. Die Koffiemakka (oder Coerenti) sind eine Abspaltung der Saramakkaner ( Benjamins & Snelleman 1914-17: 156).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 12552)