Zumárraga, d. 18. I. 1921
Nord Spanien
Sehr geehrter Herr Professor!
Leider verhinderte mich ein längeres Unwohlsein, Ihnen s[o]fort für Ihre Karte zu danken und zu den Festen Glück zu wünschen. Nachträglich möchte ich nun noch die Hoffnung aussprechen, dass Ihnen das neue Jahr nur Gutes und Erfreuliches bescheren möge, vor allem aber eine Festigung Ihrer Gesundheit, so dass noch viel von Ihrer unerschöpflichen Schaffenskraft erwartet werden kann, was ich in Anbetracht des hier allmählich erwachenden Interesses für das Studium der Sprache um so sehnlicher wünsche. Herzlich danken möchte ich Ihnen für das Interesse, das Sie mir hinsichtlich meiner Studien und meiner späteren Pläne entgegenbringen. Eigentlich war es meine Absicht, mich ganz der Sprachwissenschaft zu widmen, besonders den neueren Sprachen. Leider hat der Krieg mit seinem unglücklichen Ausgang diese Absicht vereitelt, da in Deutschland kein Unterkommen zu finden wäre und die Sprachwissenschaftler hier im Auslande sich sehr kümmerlich durchschlagen müssen. In Anbetracht dieser Zustände habe ich mich entschlossen, das Studium der Chemie einzuschlagen, für das ich schon früher reges Interesse hatte, hoffe aber nebenbei noch genügend Zeit zu haben, um mich etwas der [
Philologie](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.subjects#S.4430) zu widmen. Ich gedenke, wenn ich Ostern nach Göttingen zurückkehre, neb[en] chemischen vielleicht noch [altfranzösische](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.languages#L.227) und altenglische Vorlesungen weiterzuhören. Oder könnten Sie mir im Zusammenhang mit dem [Baskischen](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.languages#L.837) das Studium irgend einer anderen Sprache empfehlen? Leider ist in Göttingen die Auswahl nicht allzu reich; es gab z. B. seinerzeit nicht einmal [spanische](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.languages#L.779) Vorlesungen. Auch das wissenschaftliche Studium des Baskischen will ich dann eifriger betreiben, das ich gegen meinen Willen etwas liegen lasse, um mich durch möglichst vieles Reden und Hören und durch Streifzüge in die benachbarten Mundarten in die Sprache, wie sie jetzt ist, hineinzuvertiefen und mir wenn möglich baskisches Denken zu Eigen zu machen. Dazu gehört aber viel mehr Übung als ich zu Anfang dachte. Kürzlich auf einem Ausfluge an die Meeresküste zwischen Ondarroa un[d] Zarauz hatte ich reiche Gelegenheit zu Beobachtunge[n]. Besonders konnte ich feststellen, wie das bizkainische und das gipuzkoanische, die hier in Legazpia und Oñate sehr scharf von einander getrennt sind, allmählich ineinander übergehen. Ich versuche in allen Orten, durch die ich komme, so weit es geht, die Konjugation aufzuzeichnen. So sagt man z. B. in Deva für (
zait, zaizkit; zaizu, zaizkizu
) usw.:
zat, zazt; zatzu, zatzuz; zako, zakoz; zaku, zakuz; zakobe, zakobez
. Ebenso in der Vergangenheit statt: (
zitzaidan, zitzaizkidan; zitzaizun, zitzaizkizun
) usw.:
zitzatan, zitzazten; zitzatzu[n], zitzatzuzen; zitzakon, zitzakozen
usw. Für (
du, dute
)
deu, debe
. Für (
nuen, zuen, zuten
)
neban, zeban, zeben
. Für (
dizut, dizkizut, dizkizu, dizkiot, dizkiote, dit, dizkit)
dizut, dizuzt, dizuz, diozt, diobez, ditx, dizt
.
Für (
zizkioat, zizkionat
) sagt man
ziozt, zionazt.
Für (
zizkiok, zizkion
) ebenfalls
ziozk, ziozan,
usw. Auch in der einfachen Konjugation geht das Objektpluralzeichen dem Subjekt bald vor, bald nach, z. B. von
euki
bildet man
dazkat, dakazuz, dakaz
, von
ekarri dakarzt, dakarzuz, dakarz...
In Zumaya entdeckte ich auch die Form
dazkit
, von der ich im letzten Brief schrieb, doch ist sie hier sicher zusammengezogen von
dakizkit
; den[n] man sagt in Zumaya allgemein z. B.
zezkiat
für (
zekizkiat
),
dizkazu
für (
dizkidazu
),
dizkot
für
dizkiot
usw.
Es ist äusserst bedauerlich, dass sich noch keiner gefunden hat, der die ganzen mundartlichen Verschiedenheiten des Zeitwortes in Gipuzkoa zusammengestellt hat, was sicherlich nicht so schwer wäre. Ich selbst hätte es mit grossem Eifer unternommen, wenn ich nur mehr Zeit und Gelegenheit gehabt hätte. Vielleicht komme ich dazu nach Beendigung meiner Studien in
Deutschland, wenn sich nicht inzwischen jemand anders daran gewag[t] hat. Ich nehme an, dass dieses in etwa 4-5 Jahren der Fall sein wird, und da in Deutschland sicher keine Stelle zu finden wäre, so liegt es am nächsten wieder hierher zurückzukehren. Auch jetzt schon kommen zahlreiche Deutsche a[l]ler Berufszweige hierher und werden mit offenen Armen empfangen; denn da ja die sehnsüchtig erwarteten deutschen Waren ausbleiben und wohl auch noch länger Zeit ausbleiben werden, sucht man alles möglichst i[m] Lande anzufertigen und da die Unterweisung fehlt, zieh[t] man immer mehr deutsche Qualitätsarbeiter ins Lan[d]. Die Industrie hat sich in den letzten 30 Jahren, seitdem mei[n] Vater ins Land kam, sehr stark entwickelt. Damals gab es nur Mühlen, heutzutage ist jedoch jeder kleine Waldbach ausgenutzt zu Kraft- oder Lichtanlagen. Sogar hier in Legazpia gibt es mehrere Fabriken, deren eine weit über 100 Arbeiter beschäftigt. Mit deutschen Verhältnissen lässt sich natürlich die hiesige Industrie bei weitem nicht vergleichen, aber für
Spanien ist sie sehr rege. Hoffentlich ist es mir später auch einmal vergönnt, an ihr Anteil zu nehmen. So denke ich mir die nächste Zukunft, aber gerade in den letzten Jahren ist ja alles ganz anders gekommen, als man gedacht hat.
Einige Beobachtungen möchte ich noch erwähnen, die ich in Vergara gemacht habe. Ich konnte nichts mehr feststellen von der im
[
](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.bibliography#BIBL.4294)Verbe Basque des Fürsten Bonaparte
erwähnten Tatsache, dass die obersten Schichten die einheimische bizkainische Mundart verachten und sich des reinsten uipuzkoanischen bedienen. Dafür scheinen manche guipuzkoanischen Formen neben den bizkainischen gebraucht zu werden, wenigsten[s] von den Städtern. So hörte ich sie neben
zagoz
das
zaude
von Beterri und sogar das
zare
von Goyerri häufig nebeneinander gebrauchen, auch
dare, daude, dagoz
, und ähnliches, aber immer nur
dot, dabe, neban, zeban
(3. pers.),
dotsut, dotsat
. Im Zusammenhang mit den Unregelmässigkeiten des Verbums
izeki
im Imperfekt
zizekagun
, aus der Léon in der [
](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.subjects#S.3966)Rev. I
. eine Theorie über 2 Imperfekta ableitet, stellte ich hier ganz ähnliche Formen fest z. B.
zotsagun
neben
gotsan, zeuzkagun
wir hatten,
zekigun, zekargun
usw. Diese sind augenscheinlich unter Einfluss des Präsens na[ch]
zekarzun
für
zenekarren, zekizun
für
zenekien
usw. gebildet. Ob nich[t]
izeki
derselben Erscheinung seine Unregelmässigkeit zu verdanken ha[t]. Nun möchte ich schliessen, um die Absendung des Briefes nicht noch weiter zu verzögern.
Seien Sie nochmals meines wärmsten Dankes versichert für das mir gewidmete Interesse und herzlich gegrüsst mit den besten Wünschen für Ihr Wohlergehen.
Ihr
G. Baehr
Konjugation von “det” in Legazpia u. Oñate
Die von der kürzlich gegründeten Akademie verlangte Rechtschreibung, deren ich mich bediene, ist folgende:
a, e, i, o, u, ü (ã, ẽ, ĩ, õ, ũ, ü ), b, d, dd, f, g, h, j, k, l, ll, m, n, ñ, p, r, rr, s, x, t, tt, ts, tx, tz, y, z.
Es folgt das Präsens von det, bezw., dot, nebeneinander die Formen aus Legazpia u. Oñate.
Ich es
|
Ich sie
|
Ich dir
|
Ich euch
|
Ich ihm
|
Ich ihnen
|
det, dot |
dittut, ttut |
dizut, dotzut |
dizuet, dotzuet |
diot, xat |
di(o)et, xat |
dezu, dozu |
dittuzu, ttuzu |
|
|
diozu, xatzu |
di(o)ezu, xatzu |
du, dau |
dittu, ttu |
dizu, dotzu |
dizue, dotzue; |
dio, xau; |
di(o)e, xau |
de(g)u, do(g)u |
dittu(g)u, ttugu |
dizu(g)u, dotzu(g)u |
dizue(g)u, dotzuegu; |
dio(g)u, xa(g)u; |
di(o)egu, xa(g)u |
dezué, dozué |
dittuzue, ttuzue |
|
|
diozue, xatzue; |
di(o)ezue, xatzue |
dué, daué |
dittue, ttue |
dizue, dotzue |
dizue, dotzue; |
dioe, xaue; |
di(o)e, xaue |
Du mir
|
Du es uns
|
Ich dich
|
Ich euch
|
Du mich
|
Du uns
|
|
|
zaittut, zaut |
zaittuet, zauet |
|
|
ddiazu, doztazu |
di(g)uzu, dozkuzu |
|
|
nazu, naizu |
gaittuzu, gaittuzu |
dit, dozt |
di(g)u, dozku |
zaittu, zau |
zaittue, zaue |
nau, nau |
gaittu, gaittu |
|
|
zaittugu, zaugu |
zaittuegu, zauegu |
|
|
|
ddiazué, doztazue |
di(g)uzue, dozkuzue |
|
nazue, naizue |
gaituzue, gaittuzue |
ddié, doztai |
di(g)ue, dozkue |
zaittue, zaue |
zaittue, zaue |
naue, naue |
gaittue, gaittue |
Imperfekt
Ich es
|
Ich sie
|
Ich dir
|
Ich euch
|
Ich ihm
|
Ich ihnen
|
non, neben |
nittun, nittuan |
nizun, notzun |
nizuen |
nion, notzan |
ni(o)en |
zendún, zeben |
zittuzun, zittuzun
zenduzen
zinitun
|
|
|
ziñion, zotzan
ziozun
|
ziezun |
zon, eben |
zittun, zittuan |
zizun, otzun |
zizuen |
zion, otzan |
zi(o)en |
zendún, geben |
genduzen, gituan
giñitun
|
ginizun, geutzun
otzugun
|
ginizuen |
giñogun, gotzan
giñion
|
giñegun |
zenduén, zeuen |
zenduzten, zituzuen |
|
|
ziozuen, zotzain |
ziezuen |
zuén, eyen
ebain
ebein
|
zittuen, zittuen |
zizuen, eutzuen |
zizuen |
zioen, otzain |
zi(o)en |
Imperfekt
Du es mir. |
Du es uns |
Ich dich |
Ich euch |
Du mich |
Du uns |
|
|
zinduan, zinduan |
?? |
|
|
ziazun, noztazun
zenian
|
ziuzun, ozkuzun |
|
|
ninduzun, ninduzun
nindun, ninduan
|
ginduzun, gindu[zun]
gindun, gindu[an]
|
zian, noztan |
zi(g)un, ozkun |
zindun, zinduan
zinduun, zindugun
|
|
ninduzuen, ninduzuen
ninduen, ninduen
|
ginduzuen,ginduzu(t)[uen]
ginduen, gindu(t)[en]
|
ziazuen, noztazuen |
zi(g)uzuen, ozkuzuen |
|
zien, noztain |
zi(g)uen, ozkuen |
zinduen, zinduen |
Einige Formen von naiz
:
Ich bin |
Er zu mir, zu dir, zu ihm usw. |
naiz, naiz |
zat, xat |
z(er)a, za(r)a |
zatzu, xatzu |
da, da |
zako, xako |
g(er)a, ga(r)a |
zaku, xaku |
z(er)ate, zarai |
zatzue, xatzue |
die, di(r)a |
zaye, xako |
Ich war |
|
nitzen, nintzan |
zitzetan, xatan
zitan
|
ziñen, ziñan |
zitzezun, xatzun
zitzun
|
zan, zan |
zitzekon, xakon
zikon
|
giñen, giñan |
zitzekun, xakun
zikun
|
ziñeten, ziñain |
zitzezuen, xatzuen
zitzuen
|
zien, zi(r)an |
zitzeten, xakon
zizten
|
Andere Beziehungen als diese beim intrans. Verbum sind in Oñate selten in Legazpia ganz unbekannt. So weit ist der Verfall der Konjugation schon fortgeschritten! Übrigens geht die Jugend noch weiter. Für sie gibt es ausser den allernotwendigst[en] keine Verbalbeziehungen mehr. Bei den transitiven Verbum fehlt überall d[er] Plural von
dizut
(=
dizkizut
)
diot
(=
dizkiot, diozkat
) usw. Im inneren Bizkayas sollen die richtigen Formen noch gebrauch[t] werden. Für das guipuzkoanische kann ich sie selbst bezeugen, da ich sie bei Tolosa gehört habe. Dieser Verfall ist überall sehr gross, wo das Denken der Leute schon beinahe spanisch ist.