Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (17-10780)

von Leo Spitzer

an Hugo Schuchardt

Wien

06. 01. 1915

language Deutsch

Schlagwörter: Bitte um wissenschaftliche Meinung Baskologielanguage Baskischlanguage Portugiesischlanguage Französischlanguage Englischlanguage Spanisch Azkue Aberastur, Resurrección María de (1905–1906) Schuchardt, Hugo (1906) Michelena, L. (1957) Hoops, Johannes (1912) Terracher, Adolphe Louis (1907)

Zitiervorschlag: Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (17-10780). Wien, 06. 01. 1915. Hrsg. von Bernhard Hurch (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1524, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1524.

Printedition: Hurch, Bernhard (2006): Leo Spitzers Briefe an Hugo Schuchardt. Berlin: Walter de Gruyter.


|1|

Wien, 5. Jänner

Verehrter Herr Hofrat,

Eine baskologische Frage! Was ist elge 'champ cultivé, maison dénuée de possessions' etc. (D. Azkue).1 Ich vermute, es hängt mit ptg. olga, fz. ouche (=gallolat. olca) zusammen. Für dieses habe ich eine schöne "Etymologie": Die gallische Entsprechung zu germ. falg (mhd. valgen 'umbrechen', engl. fallow, dtsch. Felge, 'Brachfeld', vgl. Hoops in PBrB 19112); also *(p)olká, dieses wie Zupitza u. Walde sagen, Parallelform zu lt. porca 'Furche', dtsch. Furche. Schwierigkeit bereitet nur das Ptg. mit -g-, ferner fz. Ortsnamen wie Ouge. Terracher Stud. i. mod. språk. vetusk. 19073 geht von aulica aus, aber das geht wegen -ol + o des Ptg. und c(h) des Aprov. nicht.

Wie verhält sich nun bask. elge zu olca? Ist es aus dem Bask. selbst deutbar, ist es eine alte gall. Entlehnung (wie anderra) und in diesem Fall, wie verhält sich das e (Ablautstufe *elk - zu *olk im Gall., oder o > e - Übergang?), oder |2|romanische Entlehnung (etwa aus span. huelga 'Zeit des Brachliegenlassens')? Ich weiß, daß das alles sehr dilettantisch ist, aber Herr Hofrat sind so hilfsbereit, daß Sie in mein krauses Durcheinander schon Ordnung bringen werden.

Ich füge hinzu, daß ev. auch für gall. olca von einer Wz. *(p)elgh, *polgh - ausgegangen werden kann, da die germ. Folge wie Gallisches olca befriedigen würde (wir haben ja in letzterem arcantum carpentum, Alpes etc.).

Ergebenste Grüße

Spitzer


1 Resurrección María de Azkue, Diccionario Vasco-Español-Frances, Bilbao 1905-1906. Schuchardt hatte dieses Wörterbuch gleich bei Erscheinen zur Grundlage einer umfangreichen und nicht unumstrittenen Arbeit genommen: Baskisch und Romanisch. Zu de Azkues Baskischem Wörterbuch 1.Bd. Halle a.S.: Niemeyer 1906. Zur kritischen Auseinandersetzung mit Schuchardts Arbeit vgl. Luis Michelena, "Basque et Roman", in: Via Domitia IV (1957): 12-25.

2 Johannes Hoops, "Felge und falge", in: Paul-Braunes Beiträge, heute besser bekannt unter Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 37.2: 313ff.

3 Adolphe Louis Terracher in der schwedischen Zeitschrift Studier i modern sprakvetenskap utgifna af Nyfilologiska Sällskapet i Stockholm.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 10780)