Grigor Khalatian an Hugo Schuchardt (01-05535)

von Grigor Khalatian

an Hugo Schuchardt

Moskau

29. 07. 1897

language Deutsch

Schlagwörter: Sprachen im Kaukasus Handschriften Publikationsversand Kopieranfrage Lazarewsches Institut, Moskau Universitätsbibliothek Grazlanguage Georgischlanguage Armenisch

Zitiervorschlag: Grigor Khalatian an Hugo Schuchardt (01-05535). Moskau, 29. 07. 1897. Hrsg. von Petra Hödl (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1518, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1518.


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Hochgeehrter Herr College,

Hiermit erlaube ich mir Sie um Erfüllung einer Bitte zu ersuchen, deren Gegenstand, wie ich hoffe, auch für Sie von Interesse ist.

Mir ist aus Wien durch die PP. Mechitharisten1 gemeldet worden, dass Sie eine Grusinische Evangelien-handschrift (Palimpsest)2 entdeckt hätten. Wenn der Grusinische Text wirklich dem IX Jahrhundert angehört, so müsste der Armenische naturgemäss älter sein. Allerdings hat mich unser Prof. Chachanof3 versichert, dass aufgrund Ihrer Ausführungen die Grusinische Handschrift kaum älter ist als XI Jahr., da sie augenscheinlich in mittlerem Khuzuri4 geschrieben ist.

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Sie werden wahrscheinlich schon wissen, dass die älteste armenische Evangelien-Handschrift sich in der Bibliothek des Lazarewschen Instituts5 befindet (vom J. 887).6 Ich bin vom Conseil des Lazarew. Instituts mit der Herausgabe dieser Handschrift betraut worden. In Anbetracht dessen werden Sie meine Bitte verstehen mir zur Vergleichung womöglich Phototypen Ihrer Handschrift zuzusenden. Natürlich werden die Phototypen-Exemplare ohne Ihre Einwillung nicht veröfentlicht [sic] werden.

Ausserdem möchte ich mir erlauben noch die Anfrage an Sie zu richten, ob man nicht einige Kapitel aus Ihrer Armenischen Evangelien-Handschrift nach meiner Einweisung für mich abschreiben könnte, und zwar diejenigen Kapitel, welche |3|ich zu meiner Ausgabe besonders brauche.

Hiermit übersende Ich [sic] Ihnen eine Probe-Ausgabe von im vorigen Jahre in Etschmiadzin7 entdeckten ältesten übriggebliebenen Texten der armenischen Bibel-Uebersetzung (wahrscheinlich aus dem Syrischen), d.h. Zwei Bücher Paralipomena8, mit deren Herausgabe ich eben beschäftigt bin.

Hochachtungsvoll

Gregor Chalatiantz,
Prof. der Armen. Litteratur am Lazarewschen Institut in Moskau.

den 29 Juli, 1897
Moskau.


1 Patres des Mechitharistenordens in Wien, s. zu deren Geschichte http://mechitharisten.org/.

2 i.e. überschriebenes Manuskript. Der besagte armenisch-georgische Palimpsest stammt aus dem Katharinen-Kloster auf dem Berg Sinai. Er wurde 1897 zusammen mit anderen georgischen Handschriften von Schuchardt in Wien gekauft und nach seinem Tod der Universitätsbibliothek Graz vermacht (UBG 2058/2). Gegenwärtig wird seine Edition vorbereitet, s. http://www.vestigia.at/armenischerpalimpsest.html.

3 Aleksandr Solomonovich Khakhanov (1864-1912), georgisch-russischer Historiker, Archäologe und Literaturwissenschafter. Er lehrte ab 1889 am Lazarevschen Institut für orientalische Sprachen in Moskau und war Spezialist für georgische Geschichte und Literatur. Von besonderem Interesse waren für ihn alte georgische Manuskripte. Ein Brief von ihm aus dem Jahr 1902 befindet sich im Schuchardt-Nachlass (Bibl. Nr. 5534).

4 Schrift für kirchliche Literatur, im Gegensatz zur bürgerlichen Mkhedruli, die für den alltäglichen Schriftverkehr und Druck verwendet wurde.

5 Institut für orientalische Sprachen in Moskau, gegründet 1815 und insbesondere auf das Armenische spezialisiert.

6 Diese Handschrift befindet sich heute im Mashtots Matenadaran-Institut in Jerewan ( Armenien). Nach aktuellem Stand der Forschung wird sie als zweitälteste armenische Handschrift angesehen. Als älteste gilt das Evangeliar der Königin Mlke aus dem Jahr 862 (vgl. Kouymjian 1997: 183), s. auch http://armenianstudies.csufresno.edu/iaa_miniatures/ms_list.aspx.

7 Etschmiadsin (Vagharschapat), Stadt im Westen Armeniens.

8 1. und 2. Buch der Chronik (Altes Testament).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05535)