Dirk Christiaan Hesseling an Hugo Schuchardt (05-04682)

von Dirk Christiaan Hesseling

an Hugo Schuchardt

Leiden

28. 01. 1914

language Italienisch

Schlagwörter: Druckfehler Druckfahnen Druckwesen Sprachprobe Koninklijke Akademie van Wetenschappen (Amsterdam) Sprachbezeichnungenlanguage Niederländischbasierte Kreolsprache (Saint Thomas)language Englischbasierte Kreolsprachen (Surinam)language Portugiesischlanguage Englischlanguage Srananlanguage Saramakkanisch Brill, Johannes (1880) Noordegraaf, Jan (2008) Schuchardt, Hugo (1914) Hesseling, Dirk Christiaan (1914) Schuchardt, Hugo (1914) Focke, Hendrik Charles (1855)

Zitiervorschlag: Dirk Christiaan Hesseling an Hugo Schuchardt (05-04682). Leiden, 28. 01. 1914. Hrsg. von Elisabeth Steiner (2013). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1482, abgerufen am 07. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1482.

Printedition: Steiner, Elisabeth (2012): „Denken Sie doch nicht dass Sie mich mit Ihren Fragen belästigen; es ist mir eine wahre Freude Ihnen in dieser Angelegenheit von einigem Nutzen zu sein.“ Der Briefwechsel zwischen Schuchardt und Hesseling. In: Grazer Linguistische Studien. Bd. 78., S. 101-127.


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[LEIDEN,] 28. 1. [191]4.

Verehrter Herr Kollege,

Ich habe das Manuskript und die Korrektur Ihres Aufsatzes gesehen, und so kann ich Ihnen versichern dass die Schuld wahrlich nicht bei Ihnen liegt wenn die Ränder mit Korrekturen überfüllt sind. Vielmehr glaube ich dass es eben Ihre deutliche Handschrift ist die Brill1 dazu verführt hat Ihre Arbeit einem wenig geübten Setzer in die Hände zu geben. Ich habe mich sehr darüber geärgert, und werde die Sache mit dem Sekretär unserer Redaktion besprechen; leider werden die Vorwürfe die wir der Druckerei machen Ihnen nicht mehr nützen! In dem Negerholländischen Brief2 ist mir manches unverständlich geblieben als ich ihn in der Korrektur las, aber bei den zahlreichen Druckfehlern konnte ich nicht ausmachen ob es die Sprache |2|oder der nachlässige Setzer war welcher mir die Lektüre erschwerte. Vieles wird mir gewiss deutlich werden wenn ich Ihren Aufsatz in der endgültigen Form vor mir habe. Jetzt ist mir z. B. unklar: daes, daesduk (S. 6; soll es nicht naes = nees, Holl. neus, Nase, und naesduk = neusdoek, Taschentuch sein3), mīī (S. 8), Kamb-huus (S. 8, wohl = Kombuus, Holl. kombuis, Schiffswort für Küche), kapman (S. 9), bifo, citéres4(S. 11) u.s.w. Die Lesung „mi ha fragg wa skort am“ ist richtig; es ist das Holländische Wort schorten, fehlen, dass wir noch jetzt in demselben Sinn gebrauchen.

Meine Übersetzung von „Hueso Mama Ka slaep Donker“, Mie ha slaep fraej“ möchte ich damit verteidigen dass man nicht sagen kann: Ik sliep gued (Jeg sov vel)5.

Und jetzt noch einiges über Ihr Wörterbuch6. Sie brauchen sich gar nicht damit |3|zu beeilen. Ich schrieb Ihnen dass die Akademie Ihre Arbeit so bald wie möglich herausgeben wird, weil ich meinte es wäre Ihnen angenehm das Buch bald fertig zu haben, aber es lag mir fern Sie zu einer so anstrengenden und unliebsamen Arbeit aufzufordern wie die Umschreibung eines Wörterbuchs in so kurzer Zeit. Über die Fahnenabzüge werde ich mit dem Redaktionsausschuss der Akademie sprechen.

Beschemgeest bei Focke7 (ich fand es nicht in seinem Wörterbuch) kann nichts anderes sein als beschermgeest (beschermen = schirmen), Schutzgeist.

Von den Abkürzungen welche Sie für das Saramakka vorschlagen scheint mir NPE die beste, weil sie ausdrückt wie das Portugiesische Element in dieser Sprache älter ist wie das Englische; |4|daneben könnte Np.E das Idiom der Bevölkerung von Paramaribo8 bezeichnen. Über 25 oder 50 Jahre wird man vielleicht das Negerenglische von Surinam mit NpEH andeuten können. Vielleicht ist Ihnen NPE, NpE nicht recht weil der Hauptbestandteil der Sprache doch Englisch ist; da möchte ich vorschlagen: NpE für das Samarakka [sic! Saramakka] und NπE für das gewöhnliche Negerenglisch.9

Mit bestem Gruss Ihr ganz ergebener
D. Hesseling


1 Johannes Brill (1842-1924) beschäftigte sich in seinem Werk De Landstaal ebenfalls mit der Sprachsituation in Südafrika; ein Brief von Brill an Schuchardt befindet sich unter der Nr. 01374 im Nachlass; vgl. auch Noordegraaf 2008.

2 Schuchardt erhielt von A. Magens aus St. Thomas einen Brief auf Negerhollands (ein Verwandter von J.M. Magens, der 1770 als erster eine Grammatik des Negerhollands verfasste), der in seinem Artikel von 1914 im Original abgedruckt ist (1914a: 127ff.); im Anhang befindet sich eine Übersetzung ins Niederländische von D.C. Hesseling (Hesseling 1914).

3 Gedruckt als næs und næsduk (Schuchardt 1914a: 128), hier wurde der Fehler offensichtlich behoben.

4 Die Wörter mīī, kamb-huus, kapman, bifó (mit und ohne Akzent) und citéres sind in dieser Form gedruckt ( Schuchardt 1914a: 130-133).

5 Diskutiert in Schuchardts Fußnote von 1914a: 126.

6 Schuchardt (1914b).

7 Focke, Hendrik Charles (1855): Neger-Engelsch woordenboek. Leiden: P.H. van den Heuvell.

8 Hauptstadt von Surinam.

9 Schuchardt diskutiert in 1914b, ab xxvi verschiedene Abkürzungen für Kreolsprachen, NPE steht für Neger-Portugiesisch-Englisch. Schuchardt unterscheidet zwischen sur1 NE und sur2 NE, wobei ersteres die Mundart um Paramaribo mit schwächerem portugiesischem Einschlag bezeichnet. Das schwächere portugiesische Element wird bei Hesseling durch die Minuskel angedeutet, die Verwendung von π deutet offenbar eine noch stärkere Marginalisierung des Portugiesischen im herkömmlichen „Negerenglisch“ an. Die Unterscheidung der kreolischen Varietäten von Surinam in zwei Dialekte wird heute durch die Unterscheidung in zwei Sprachen ersetzt (schon Schuchardt spricht davon, dass die Unterscheidung eher zwei Hauptmundarten, als zwei Untermundarten trenne), sodass es sich in heutiger Terminologie bei sur1 NE um Sranan und bei sur2 NE um Saramaccan handelt.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 04682)