Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (10-10772)

von Leo Spitzer

an Hugo Schuchardt

Wien

31. 12. 1913

language Deutsch

Schlagwörter: Bitte um wissenschaftliche Meinung Neuphilologische Mitteilungenlanguage Arabischlanguage Lateinlanguage Spanischlanguage Englischlanguage Niederländischlanguage Griechisch

Zitiervorschlag: Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (10-10772). Wien, 31. 12. 1913. Hrsg. von Bernhard Hurch (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1453, abgerufen am 28. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1453.

Printedition: Hurch, Bernhard (2006): Leo Spitzers Briefe an Hugo Schuchardt. Berlin: Walter de Gruyter.


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Wien, 31. Dez.

Verehrter Herr Hofrat,

Danke für Ihre beiden Karten. Ich dachte, da die Zeitstr. 33,388 f. ein arab. berdi, bardi "Rohrkolbe, Papyrus", ferner für diese beiden Pflanzen die Verwendung als Dochte erwähnen, daß Beziehungen zur Königskerze (die in den Bezeichnungen oft mit d. Klette verwechselt wird) bestehen, die ja auch (vgl. Rolland u. meine Bemerkung über cat. blè "Docht" in Neuphil. Mitt.) zu Dochten verwendet wird, anderseits ergibt schon |2|die wissenschaftliche Benennung als typha latifolia Beziehungen zu ninuphar, das ebenfalls aus dem Arabischen stammt und dessen Benennungen ebenfalls mit der Klette verwechselt werden (lata folia werden auch bei der Klette in Glossen oft hervorgehoben). Also wäre das albardan der Glossen = valenc. albardin, etwa 'Sumpfpflanze' > Wasserlilie > Klette? Damit stimmte lambourdo (wohl lappa + burdus, 'wild' 'Bastard' cf. borda 'Hure' im Lat.) 1) Klette, 2) Rohrkolbe. Cf. sp. espadaña, 'Rohrkolbe u. Schwertlilie' wegen der schmal linealen Blätter. – Engl. burdork hat, wenigstens in seiner flämischen Entsprechung dork in der Wallonie Spuren gelassen (Karte bardane). Mit der germanischen Abstammung scheint mir der Stammauslaut burz-~bard- u. der Vokal -u- statt -a- im Widerspruch. Hält man die Glossenformen nebeneinander: albardan und dardana, so würde man auf Hellebarde und dard gewiesen. Bourrissont in Südfrkr. ist wohl eher zu bourrer als zu germ. bur- zu stellen. esonacia soll sich von persona 'Maske' erklären, von einem Kinderspiel her, daher auch griech. προσώπις 'verbascum'. Bardana ist nicht in Frkr., It. u. Span. volkstümlich (höchstens in Südostfrkr.): Franz. wählte ja *bardaine, die volkstümlichen Formen des Südens sind laperas, lampourdo, etc., die des Nordens kelt. drauoca, resp. gleteron und sekundäre Bezeichnungen. Sehr willkommen ist mir die Nachricht, daß bardana ins Syrische und Griech. drang – also doch aus gelehrten Kreisen?

Vielen, vielen Dank und beste Neujahrswünsche vom

Spitzer

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 10772)