Hermann Paul an Hugo Schuchardt (1-08684)

von Hermann Paul

an Hugo Schuchardt

Freiburg im Breisgau

28. 02. 1886

language Deutsch

Schlagwörter: Lautgesetze Methodologie Literaturblatt für germanische und romanische Philologie Erwiderung Anzeige Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze Universität Heidelberg Neumann, Fritz Schuchardt, Hugo (1886) Paul, Hermann (1886) Schuchardt, Hugo (1885) Paul, Hermann (1886)

Zitiervorschlag: Hermann Paul an Hugo Schuchardt (1-08684). Freiburg im Breisgau, 28. 02. 1886. Hrsg. von Johannes Mücke (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1355, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1355.

Printedition: Mücke, Johannes (2015): "... unsere freundschaftlichen Beziehungen...". Zum Verhältnis von Hermann Paul und Hugo Schuchardt. In: Grazer Linguistische Studien. Bd. 80., S. 125-164.


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Freiburg 28.2.86

Verehrter Herr College!

Neumann1 teilt mir mit, daß Sie den Schlußpassus meiner Erwiederung2 als Ihnen nicht verständlich bezeichnet haben.3 Ich erlaube mir daher Sie mit ein paar Worten darüber aufzuklären. Was ich mir unter einer Methodenlehre vorstelle, die nicht aus bloßer Logik gewonnen wird, das, dachte ich, sollte zur Genüge aus meinen Principien hervorgehen. Die Methodik beruht eben außer auf der allgemeinen Logik auf der Principienlehre, und diese wird nur gewonnen auf Grund einer Verarbeitung von Tatsachen der Erfahrung. Diese Verarbeitung geschieht natürlich nach logischen Gesetzen, aber die Logik al|2|lein ohne die Tatsachen hilft uns nichts. Das ist es, was ich habe sagen wollen. Die gegenwärtig in der Sprachwissenschaft bestehenden Controversen können meiner Meinung nach nicht durch rein logische Erörterungen geschlichtet werden, sondern es kommt auf das Beobachtungsmaterial an, von dem man ausgeht.

In der Hoffnung, daß unsere freundschaftlichen Beziehungen in keinerlei Weise gestört sind, verbleibe ich

mit bestem Gruße

Ihr ergebenster

H. Paul.


1 Sehr wahrscheinlich Fritz (Friedrich) Neumann (1854-1934), ab 1890 Lehrstuhl für Romanische Philologie an der Universität in Heidelberg. Fritz Neumann gab ab 1880 zusammen mit Otto Behagel das Literaturblatt für germanische und romanische Philologie heraus. Hermann Paul korrespondierte mit Neumann, im Nachlass Pauls an der Universitätsbibliothek der LMU München befinden sich acht Briefe sowie neun Postkarten von Neumann aus dem Zeitraum zwischen 1882 und 1910, schwerpunktmäßig jedoch erst nach 1890. Auch Schuchardt korrespondierte ausgiebig mit Neumann. Im Nachlass Schuchardts sind mit den Nummern 07759-007816 insgesamt 58 Korrespondenzstücke im Zeitraum zwischen 1878 und 1926 katalogisiert. Schuchardt veröffentlichte im Literaturblatt zwischen 1883 und 1920 insgesamt 74 Anzeigen, Erklärungen, Erwiderungen und Selbstanzeigen, darunter auch 1886 die "Erwiderung" (Schuchardt 1886, HSA 194) auf Hermann Pauls Rezension (Paul 1886c, ebenfalls im Literaturblatt) von Schuchardts Streitschrift Ueber die Lautgesetze. Gegen die Junggrammatiker (Schuchardt 1885, HSA 172).

2 Im Anschluss an die o.g. "Erwiderung" Schuchardts im Literaturblatt, welche auf den 15.01.1886 datiert, ist direkt ein kurzer Kommentar Pauls mit Datum 23.01.1886 abgedruckt (Paul 1886a), auf den sich Paul hier bezieht.

3 Der exakte Hergang dieser Vermittlung konnte noch nicht ermittelt werden. Die Briefe und Postkarten Neumanns an Paul geben in dieser Hinsicht keine Information.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 08684)