Hugo Schuchardt an Graziadio Isaia Ascoli (181-B29_12)

von Hugo Schuchardt

an Graziadio Isaia Ascoli

Graz

12. 01. 1904

language Deutsch

Schlagwörter: Trombetti, Alfredo Trombetti, Alfredo (1902) Trombetti, Alfredo (1903) Morris-Moore, John (1903)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Graziadio Isaia Ascoli (181-B29_12). Graz, 12. 01. 1904. Hrsg. von Klaus Lichem und Wolfgang Würdinger (2013). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1332, abgerufen am 02. 04. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1332.


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(Risposto il 19.1.'904, sconsigliando la pubblicazione del giudizio sulle Lettere, prima della premiazione.)1Graz, 12 Jänner 1904

Verehrter Freund.

Ich beeile mich auf Ihren Brief (der gestern Abend eintraf) zu antworten. Was Sie in Betreff der Arbeit Tr.'s2 sagen, ist mir aus der Seele gesprochen3;; ich bin eines mit Ihnen in Ansicht und Wunsch.

Auf eine komparative Begutachtung der Arbeit Tr.s.2 kann ich mich aber durchaus nicht einlassen; es fehlen mir dazu die äusseren Kräfte und auch das Interesse, wenigstens für den Augenblick. Ich kann mich nicht so teilen, wie Andere; ich |2|muss mich, bei meinen häufigen Gesundheitsstörungen, konzentrieren, und so habe ich mir vorgenommen die ganze nächste Zeit auf dem Gebiete zu verweilen, in welches Tr.s2 Arbeit fällt, natürlich nicht bloss in kritischer Absicht, sondern auch zur Förderung eigener Studien. Überdies wäre es mir doch peinlich - ganz abgesehen von meiner Eigenschaft als Ausländer - zwischen zwei oder mehreren Arbeiten die verschiedenen Disziplinen angehören mich zu entscheiden; es ist für meine Gemütsruhe sicherlich besser wenn ich es nur mit einer zu tun habe.

Aber ich gedenke etwas Anderes zu unternehmen, was mir für die Erreichung unseres gemeinsamen Wunsches dienlich erscheint und wofür ich demzufolge Ihren Beifall erhoffe oder |3|was Sie wenigstens nicht missbilligen werden. Ich hatte gleich anfangs Trombetti versprochen seinen Brief (damals war erst der eine erschienen) in dem Giorn. della Soc. As. it zu beantworten.4 Ich konnte das nicht sogleich tun da meine Reise dazwischen kam; seit meiner Rückkehr traten dann andere Hindernisse ein. Vor wenigen Tagen erhielt ich nun einen kurzen Brief von Trombetti, worin er sich beklagte dass weder ich noch ein Anderer von seinen beiden Schreiben Notiz genommen habe. Das hat mich nun dazu bestimmt ein Antwortschreiben in Angriff zu nehmen das hoffentlich noch vor der Erteilung des Preises im Druck erscheinen kann; es würde in T.'s2, in meinem, im allgemeinen Interesse sein. Ich würde |4|das Grossartige seines Unternehmens darlegen, ohne die grösseren oder kleineren Fehler zu verschweigen die - fast notwendigerweise - damit verbunden sind, ich würde meinen eigenen Standpunkt präzisieren, ich würde andere, die vielleicht eine instinktive Abneigung gegen die Behandlung des Problems zeigen, zum Guten zu stimmen vermögen. Alles natürlich indem ich mich nicht auf die handschriftliche Preisarbeit beziehe, sondern nur auf die beiden gedruckten Briefe und etwa das eine oder das andere was in T.s2 Privatkorrespondenz mit mir berührt worden ist. Geradezu unbegreiflich erscheint es mir wie Tr.2 in seiner Lage sich von der sprachwissenschaftlichen Litteratur eine so gründliche Kenntnis hat verschaffen können; er hat selbst deutsche Bücher die man hierzulande nur schwer zu Gesichte bekommt, benutzt.

Mit herzlichstem Grusse
Ihr ganz ergebener

H SCHUCHARDT

In den Rendiconti der Acc. dei Lincei XII fasc. 30-40 habe ich einen Aufsatz von einem Engländer, Morris - Moore, gefunden der mich an solcher Stelle einigermassen befremdet hat.5


1 Handschriftliche Anmerkung Ascolis auf dem Briefkopf; vgl. 182-00333.

2 Trombetti.

3 Vgl. 180-00332.

4 A. Trombetti: Delle relazioni delle lingue caucasiche con le lingue camitosemitiche e con altri gruppi linguistici. Lettera al profes­sore H. Schuchardt, in: Giornale della Società Asiatica Italiana 15 (1902), 177-201. - Der zweite Teil dieser Abhandlung (Continuazione e fine) erschien in: Giornale della Società Asiatica Italiana 16 (1903), 145-175.

5 John Morris-Moore: La soluzione di un problema linguistico rispetto al diagramma GH, in: Rendiconti della Reale Accademia dei Lincei 12 (1903), 151-163. - Dieser Arbeit war vom "Socio Lanciani" ( Rodolfo Lanciani, 1845 - 1929), der aber Archäologe war, präsentiert worden. Vgl. auch - 182-00333.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Biblioteca dell'Accademia Nazionale dei Lincei e Corsiniana www.lincei.it. (Sig. B29_12)