Hugo Schuchardt an Graziadio Isaia Ascoli (179-B29_10)

von Hugo Schuchardt

an Graziadio Isaia Ascoli

Graz

03. 01. 1904

language Deutsch

Schlagwörter: Trombetti, Alfredo

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Graziadio Isaia Ascoli (179-B29_10). Graz, 03. 01. 1904. Hrsg. von Klaus Lichem und Wolfgang Würdinger (2013). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1330, abgerufen am 08. 12. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1330.


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Graz, 3. Jänner 04.

Verehrter Freund,

Ich danke Ihnen bestens für Ihren liebenswürdigen Brief. Was Sie mir über die Angelegenheit sagen, entspricht ganz meiner eigenen Anschauung; es kann ja gar nicht anders sein. Ich kenne die andern Konkurrenzarbeiten nicht, mein Urteil beschränkt sich auf die Trombettis, ich kann mich daher nur in ganz allgemeiner und in der bescheidensten Weise auf die Preisbewerbung beziehen. In welchen Ausdrücken das geschehen wird, weiss ich jetzt natürlich noch |2|nicht. Ich werde die Sache kaum anders behandeln als wie die Besprechung in einer Zeitschrift.

Aus dieser Auffassung in der wir ja wohl vollkommen übereinstimmen, ergibt sich nun allerdings eine praktische Folge an die ich früher nicht gedacht habe. Es schwebte mir vor dass Sie unter gleichen Umständen wie ich über T.1 zu urteilen hätten, und so stimmte ich dem Austausch unserer Urteile zu, schon damals, wenngleich mit andern Worten, anerkennend dass das Ihrige uno und das meinige nur una frazione sein würde. Nun sehe ich aber dass sie sich nicht bloss ihrem innern Wert, sondern auch ihrem äusseren Charakter nach unter|3|scheiden werden; das Ihrige wird ein relatives, das meinige ein absolutes sein. In das Ihrige wird das Urteil über die Mitbewerber einfliessen und einfliessen müssen; ich wiederum würde mich dem Einfluss Ihrer Meinung nicht entziehen können und wollen, und würde doch nicht klar zu erkennen vermögen aus welchen Quellen die Verschiedenheit der einzelnen Bewertungen stammte, welche bei Ihnen, gegenüber den meinigen, etwa hervorträte. So würde ich denn in Verlegenheit und Verwirrung gesetzt werden. Werden Sie es mir verübeln wenn ich Ihnen vorschlage dass wir von dem bewussten Austausch absehen? Bedenken Sie dass es nicht Anmassung ist, die mich hierbei |4|leitet, sondern Bescheidenheit. Wenn ich was ich nicht hoffen will, in Bezug auf irgend einen Punkt von der Meinung des Meisters abweichen sollte, so möge es unbewusst geschehen.

Die formale Seite der Sache kann mich um so weniger interessieren als man mich nicht einmal in soweit unterrichtet hat als sie mich angeht. Bis zu welchem Termin muss das Gutachten abgeliefert werden? Die Sprachfrage habe ich Ihnen gegenüber schon berührt. Ich bin in steter Sorge dass meine Gesundheit mich hindern könnte den übernommenen Verpflichtungen überhaupt oder so wie ich möchte, nachzukommen. Wenn ich z. B. gezwungen würde, auf längere Zeit zu verreisen? Sie müssen nicht vergessen dass ich immer mehr oder weniger leidend bin, dass ich z. B. in Egypten, wo es mir doch sonst sehr gefiel, mehr krank als gesund war. Ich danke Ihnen sehr für Ihre guten Wünsche; aber es sind doch nur pia desideria. Die Wünsche die ich Ihnen darbringe, schauen robuster aus; sie gelten nicht der Besserung, sondern der Fortdauer.

Herzlichst Ihr

H SCHUCHARDT


1 Trombetti.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Biblioteca dell'Accademia Nazionale dei Lincei e Corsiniana www.lincei.it. (Sig. B29_10)