Hugo Schuchardt an Graziadio Isaia Ascoli (135-B74_1)

von Hugo Schuchardt

an Graziadio Isaia Ascoli

Neapel

19. 04. 1896

language Deutsch

Schlagwörter: Archivio glottologico italiano Universitätsbibliothek Grazlanguage Arabischlanguage Baskischlanguage Georgisch D´Ovidio, Francesco Bonelli, Luigi Giacomino, Claudio Zumbini, Bonaventura Neapel Rom Bonelli, Luigi (1897) Bonelli, Luigi (1898) Bonelli, Luigi (1900) Giacomino, Claudio (1894) Schuchardt, Hugo (1913) Schuchardt, Hugo (1896)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Graziadio Isaia Ascoli (135-B74_1). Neapel, 19. 04. 1896. Hrsg. von Klaus Lichem und Wolfgang Würdinger (2013). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1284, abgerufen am 18. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1284.


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Neapel, Hôtel Londres

19 April 1896

Theurer Freund,

Ich war durch die erst so spät mir zugekommene Nachricht von Ihrer Krankheit sehr in Sorge ver­setzt worden, und freute mich daher aufrichtigst über die Mittheilung dass es Ihnen, wenn auch noch nicht ganz gut, doch viel besser gehe. Das wollte ich Ihnen längst schon von hier aus schreiben; aber das trübe, kühle Wetter das auch hier herrscht, hat |2|meine Nerven sehr herabgestimmt, sodass ich insbesondere zum Briefschreiben wenig aufgelegt gewesen bin. Die Unterhaltungen mit Freund d'Ovidio sind die grösste An­nehmlichkeit gewesen die mir Neapel geboten hat. Morgen reist er nach Rom; ich glaubte anfangs, er würde Sie dort sehen - das scheint aber nun nicht der Fall zu sein, und so schreibe ich Ihnen diese paar Zeilen.

Da ich mir diesmal Nichts habe nachsenden lassen, so habe ich das mir angekündigte Heft des Ar­chives1, für das ich Ihnen verbindlichst danke, noch nicht in Händen. Ich habe es aber auf der hiesigen Uni­versitätsbibliothek flüchtig eingesehen; es enthält wiederum mannig-|3|fach Interessantes, und auf dem Um­schlag sind Dinge versprochen die mich besonders nahe angehen. Ich hatte d'Ovidio gebeten, mich mit Bo­nelli bekannt zu machen, nur um zu erfahren wie weit er mit seinen Studien über das Maltasche Arabisch gekommen ist. Diese haben, wie ich nun sehe, einen Abschluss gefunden und ich bin sehr darauf gespannt.2 Noch mehr aber auf Giacominos Arbeit über die Monumenta l. ib. von Hübner.3 Ich hatte mir vorgenommen in diesem Sommer das was ich darüber zu sagen habe, zu vollenden und dem Druck zu übergeben. Nun werde ich aber doch besser thun zu warten bis jenes Heft erschienen ist, bitte Sie aber mir zu sagen wann das voraussichtlich geschehen wird. Ich werde inzwischen |4|an jene auch fast vollendete Studie über Baskisch und Hamitisch4 die letzte Hand anlegen die sich an Giacominos (und v. d. Gabelentzs) Arbeiten anschliesst; denn nach den Andeutungen die Sie und die er mir darüber gemacht hat, scheint für die nächste Zeit die Ausführung der gegebenen Skizze nicht in Aussicht zu stehen. Oder sollte das doch der Fall sein?

Das Georgische ist hier nicht ganz in Vergessenheit gerathen. Ich - oder vielmehr B. Zumbini5 an meiner Statt - habe in Torre del Greco in dem alten Kapuzinerkloster zwei nicht ganz werthlose Zeugnisse für die Beschäftigung der Kapuzinermissionäre des 17. Jahrh. mit dem Georgischen wieder aufgefunden. Anderes dem ich auch nachforsche, scheint verloren gegangen zu sein. Man ist mit den Bibliotheken der aufgehobenen Klöster unverantwortlich fahrlässig und pietätlos umgegangen - ich meine die Pietät gegen die Wissenschaft oder doch die Gelehrsamkeit.6

Ich wünsche Ihnen aufs Lebhafteste Besserung und Stärkung und mir von Ihnen freundliches Ge­denken,

Herzlichst Ihr

H. SCHUCHARDT


1 Gemeint ist AGI 14.

2 Luigi Bonelli veröffentlichte das Ergebnis seiner Forschungen in drei Teilen: Il dialetto maltese, in: Supplementi periodici all'AGI 4 (1897), 53-98; Il dialetto maltese (Continuazione), in: Supplementi periodici all'AGI 6 (1898), 37-70; Il dialetto maltese (Conti­nuazione), in: Supplementi periodici all'AGI 7 (1900), 1-68.

3 Claudio Giacomino: Intorno all'opera: Monumenta linguae ibericae editit Aemilius Hübner, in: Supplementi periodici all'AGI 4 (1897), 1-20.

4 Diese Publikation erschien erst mehr als fünfzehn Jahre später: Hugo Schuchardt: Baskisch und Hamitisch (Baskisch - hamitische Wortvergleichungen), in: Revue internationale des études basques 7 (1913), 289-340 (SB 648).

5 Bonaventura Zumbini, in Portici wohnhafter Gelehrter.

6 Vgl. dazu: Hugo Schuchardt: Georgische Handschriften in Torre del Greco, in: Beilage zur Allgemeinen Zeitung 101 (1896), 5 f. (SB 300).

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Biblioteca dell'Accademia Nazionale dei Lincei e Corsiniana www.lincei.it. (Sig. B74_1)