Leopold von Schroeder an Hugo Schuchardt (18-10222)

von Leopold von Schroeder

an Hugo Schuchardt

Wien

31. 03. 1916

language Deutsch

Schlagwörter: Kaiserliche Akademie der Wissenschaften (Wien) Ungarn Schuchardt, Hugo (1916)

Zitiervorschlag: Leopold von Schroeder an Hugo Schuchardt (18-10222). Wien, 31. 03. 1916. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann und Bernhard Hurch (2024). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.12310, abgerufen am 20. 07. 2025. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.12310.


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Wien, den 31sten März 1916 Maximiliansplatz 13II

Hochverehrter Herr College!

Vielen Dank für Ihren lieben, mich sehr erfreuenden Brief und das schöne Gedicht, das Sie Ihrem dahingeschiedenen Freunde gewidmet haben.1 Die gleichzeitig eintreffende Karte, welche die Frage der Dreihellermarke zur Sprache bringt, veranlaßt mich zur Mittheilung der merkwürdigen Thatsache, daß in der That jene Sendung (Brief und Gedrucktes zusammen) nur eine Dreihellermarke auf dem Couvert trug, aber offenbar gar nicht auf den Inhalt geprüft worden war und daher also ganz ordentlich, ohne Forderung einer Nachzahlung, mir zukam.|2| So erfreulich das auch an sich ist, that es mir doch leid, daß Sie wegen dieser Kleinigkeit sich überhaupt beunruhigt haben. Seien Sie versichert, daß ich immer zu einer Nachzahlung herzlich gern bereit wäre, wenn ich eine Sendung von Ihnen in die Hände bekomme. Aber thatsächlich ist dies, wie schon bemerkt, garnicht der Fall gewesen.

Was die Frage der Wahl eines ungarischen Gelehrten in unsere Akademie anbetrifft, so wäre ich ganz damit einverstanden. Zu einer Initiative in dieser Richtung habe ich aber doch wohl keine Veranlassung, da mir alle zum Forschen persönlich wie sachlich recht fern stehen. Mit Niemandem in Ungarn stehe ich in näheren Beziehungen, Niemand dort spielt in meinen Arbeiten eine Rolle. |3| Eigentlich merkwürdig genug. Aber es ist thatsächlich so. Aurel Stein2 ist zwar von Ungarn ausgegangen, aber so lange schon von dort fern, daß man sich dorten kaum noch erinnert. Von Gombocz3 war jetzt öfters die Rede, als empfehlenswerten Kandidaten für eine ugrofinnische Professur, die einige Collegen anstreben (namentlich Becker4 und Kretschmer5). Haben Sie ein Urtheil über ihn und seine Arbeiten? Nur wenn das der Fall ist, wäre ich für eine Zeile darüber dankbar.

Doch genug!

Leben Sie wohl und lassen Sie sich die Hand drücken von

Ihrem

verehrungsvoll ergebenem

LSchroeder


1 Schuchardt, „An Hans Gross † [Verse]“, Tagespost (Graz) 27. März 1916.

2 Aurel Stein (1862-1943), ungar. Archäologe und Forschungsreisender.

3 Zoltán Gombocz (1877-1935), ungar. Sprachwissenschaftler; vgl. HSA 03851-03852.

4 Philipp August Becker (1862-1947), deutscher Romanist; vgl. 00889-00897.

5 Paul Kretschmer (1866-1956), Sprachwissenschaftler; vgl. HSA 05824-05832.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 10222)