Jan Baudouin de Courtenay an Hugo Schuchardt (07-00580)
an Hugo Schuchardt
13. 09. 1884
Deutsch
Schlagwörter: Kindersprache Slawische Philologie Universitätsbibliothek Graz Sprachwissenschaft Maimatschin-Dialekt Sanskrit Deutsch Südslawische Sprachen Litauisch Russisch Aleksandrov, Aleksandr Ivanovič (1883) Baudouin de Courtenay, Jan (1883) Aleksandrov, Aleksandr Ivanovič (1886) Aleksandrov, Aleksandr Ivanovič (1884) Aleksandrov, Aleksandr Ivanovič (1883) Aleksandrov, Aleksandr Ivanovič (1901) Baudouin de Courtenay, Jan (1889)
Zitiervorschlag: Jan Baudouin de Courtenay an Hugo Schuchardt (07-00580). Dorpat, 13. 09. 1884. Hrsg. von Wolfgang Eismann und Bernhard Hurch (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1185, abgerufen am 04. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1185.
Printedition:
Dorpat, 1/13 Sept. 1884
Hochgeehrter Herr Kollege!
Ich schicke Ihnen anbei einige Bemerkungen über den Kjachta-Majmatschin-Dialekt, welche einer meiner Schüler, Herr Alexandroff1 während seines Aufenthalts zu Kasan niedergeschrieben hat.
Herr Alexandrow promovirte |2| vor einem Jahre zu Kasan und wurde „Kandidat der historisch philologischen Wissenschaften“. Er beschäftigte sich speciell mit der Sprachwissenschaft, hat einige interessante Aufsätze, bis jetzt nur russisch, veröffentlicht, und wurde in diesem Jahre zur weiteren Ausbildung in seinem Fache auf Krons-Kosten nach Dorpat „abcom|3|mandirt“. Er kam hieher noch in Februar, besuchte aber während der Sommerferien seine Eltern in Kasan, wo ich ihn gebeten habe alles mögliche über den Kjachta-Dialekt zu sammeln. Trotz seiner allseitigen Nachforschungen, konnte er nur soviel erfahren, wie viel er jetzt Ihnen mittheilt. Vielleicht |4| wird diess für Sie nicht überflüssig sein.
Ihr ergebenster
Baudouin de Courtenay
1 Aleksandr Ivanovič Aleksandrov (1861-1917). In seinem Brief vom 29.6.1889 (40-00597) erwähnt Baudouin, dass Aleksandrov Extraordinarius für slawische Sprachen in Kazan sei. Er war dort 1888 ernannt worden. Aleksandrov hatte Schuchardt einige Separata geschickt, die aber zurückgesandt wurden. Aleksandrov hatte in Kazan studiert und seine Magisterarbeit über die Kindersprache ( Aleksandrov, Aleksandr. 1883. 'Detskaja Reč’'. In Russkij Filologičeskij Vestnik 1883.) geschrieben ( Rez. von Baudouin. 1883. In Izvestija i Učenye Zapiski Imperatorskogo Kazanskogo Universiteta 1883/2, 234-235). Er war zur Vervollkommnung seiner Kenntnisse im Sanskrit und im Deutschen nach Dorpat abgeordnet worden. Für seine Arbeit „Sprachliches aus dem Nationaldichter Litauens Donalitius“ wurde er zum Privatdozenten ernannt. Nach Tätigkeit in Dorpat und Charkov wurde er 1888 nach Kazan berufen, wo er den Lehrstuhl für Slawische Philologie innehatte. Von ihm stammen Arbeiten zur russischen Prosodie, zur russischen Dialektologie (u.a. auch Majmačinskoe narečie, RFV 1884), zum Südslawischen ( Montenegro), zum Litauischen und zur Kindersprache und zur Sprachpathologie. Schuchardt zeigte seine Arbeit „Substituty otdel’nych zvukov i zvukovych sočetanij normal’noj russkoj reči v proiznošenii individuuma, u kotorogo vsledstvie raka (canceroides) amputirovan jazyk“ (RFV 1883) im Literarischen Zentralblatt 36: 352-353 (Schuchardt 1885, Brevier-/Archivnr. 183) an. Aleksandrov selbst schrieb einen Artikel zur Ernennung Baudouins zum Ehrenmitglied der Kazaner Universität (Kazanskij Telegraf 1901), während Baudouin einen Artikel über ihn in Vengerovs „Kritisch-bibliographischem Wörterbuch russischer Schriftsteller und Gelehrter“ verfasste (S. A. Vengerov: Kritiko-biografičeskij slovar’ russkich pisatelej i učenych, T.1 , Spbg. 1889, S. 932-933). Die Briefe Aleksandrovs an Schuchardt sind im Nachlass Schuchardts an der Universitätsbibliothek Graz unter den Nummern 00028 bis 00030 katalogisiert.