Johannes Theophilus Hahn an Hugo Schuchardt (01-04346)

von Johannes Theophilus Hahn

an Hugo Schuchardt

Kapstadt

21. 02. 1882

language Deutsch

Schlagwörter: Sprachprobe schriftliche Sprachprobe Entlehnung Sprachkontakt (allgemein) Morphologie Affigierung Suffix/Suffigierung Diatheselanguage Namalanguage Niederländisch (Südafrika)language Hottentottischlanguage Niederländisch Trümpelmann, Georg Paul Johannes (1972) Besten, Hans den (1986)

Zitiervorschlag: Johannes Theophilus Hahn an Hugo Schuchardt (01-04346). Kapstadt, 21. 02. 1882. Hrsg. von Lena Mallinger (2013). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1158, abgerufen am 18. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1158.

Printedition: Mallinger, Lena (2012): Die Korrespondenz zwischen Theophilus Hahn und Hugo Schuchardt. In: Grazer Linguistische Studien. Bd. 78., S. 63-73.


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Grey Library,
Cape Town, Cape of Good Hope.
February 21. 1882.
Prof. Dr. Hugo Schuchardt.
Graz.

Hochgeehrter Herr,

es thut mir sehr leid, dass ich Ihnen nichts über einen sogenannten Griqua-Holländischen Jargon sagen kann. Wie kommen Sie an diesen Namen und wo haben Sie Ihn gelesen. Wenn Sie etwa von einem Hottentoto-Holländischen Jargon reden würden, so wäre es verständlich. Sicherlich haben Sie in irgend einem Reisenden, der noch sehr unerfahren war, diesen Ausdruck gelesen. Doch nicht etwa im1|2|Wenn so, dann muss ich zu meinem Bedauern bemerken, dass Holub2; hier zu Lande als ein Phantast und Abenteurer angesehen nichts gilt und es jetzt auf der Hand liegt, dass er seine Sachen nicht immer gewissenhaft und nach der Wahrheit berichtet. Er schmückt aus und erzählt gerade zu Unwahres.

Ich will Ihnen nun folgendes aus meiner langjährigen Erfahrung mit theilen.

1) Die Griquas, kamen ursprünglich hier von der unmittelbaren Nähe des Kaps, sie wohnten am Bergrevier, und die Ueberreste dieses Stammes vereint mit Mischlingen, und entlaufenen Sklaven zogen nach |3|dem Lande welches wir jetzt die Diamantenfelder nennen und gründeten da das sogenannte Griquareich, mit den Plätzen Griquastad, Klaarwater. Ich habe viele Griquas in Grossnamaqualand gesehen, wohin sie gewöhnlich kamen Pferde zu verhandeln. Ihr dialect unterscheidet sich wenig von dem des Nama-Hottentotischen und konnte ich mich stets ohne Mühe mit Ihnen verständigen. Die Griquas sowohl wie die Namaquas sprechen auch Holländisch, und oft sprechen sie Namaqua indem sie, Holländische Wörter übernehmen, und sie Hottentotisiren also für Lauf-du = Loop-tse anstatt ǃgun-tse Komm-du, (Imperat) Kom-tse für hā-tse. Ein Dolmetscher in der Predigt sollte übersetzen Von Natur gänzlich verdorben.|4|Zu Holländisch: Van Natuur

geheelenall bedorven. Der Kerl übersetzte: Heeltemalse [1] (adv) Natuura-χ u [2] bedorven-he [3] (χu von) (he Suffix des Passiv) Anstatt: Hoaragase [1] (gänzlich)3ǂūba χu [2] ǁgau-ǁgau-he [3] .4 Also die Hottentoten machen es wie anderwärts, sie nehmen wohl neue Wörter in Ihr Lexicon auf, hottentotisiren sie, aber die Grammatik bleibt Hottentotisch. Gedrucktes über diesen Jargon gibt es nicht, wenn Ihnen damit gedient ist kann ich Ihnen selbst eine solche Probe schaffen, da ich oft genug mich in der Weise ausdrücken musste. Wenn Sie sonst an Leute hier schreiben ist es rein vergeblich. Niemand hat für diese Sachen Interesse, man betrachtet es als unnütz weil man kein Geld damit verdient.

In vorzüglicher Hochachtung

Ihr ganz ergebener

Theoph. Hahn


1 Hier endet die erste Seite des Briefs. Die zweite Seite beginnt mit einem neuen Satz und dieser wird nicht zu Ende geführt.

2 Emil Holub (1847-1902) war tschechischer Arzt und Forscher aus Holitz in Böhmen. 1872-1879 und 1883-1887 bereiste und erforschte er Afrika und veröffentlichte mehrere erfolgreiche Bücher über seine zahlreichen Erkenntnisse (Potgieter et al. 1972: 571-572).

3 Die schließende Klammer hinter „gänzlich“ fehlt im Original. Zur besseren Übersichtlichkeit des Sprachbeispiels wurde sie hier eingefügt.

4 Dieses Sprachbeispiel wird in den Besten (1986) diskutiert. Die Zahlen in den eckigen Klammern hinter den jeweiligen Ausdrücken stehen im Original darüber.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 04346)