Hans Gross an Hugo Schuchardt (01-04160)

von Hans Gross

an Hugo Schuchardt

Prag

10. 03. 1904

language Deutsch

Schlagwörter: Verlag Heinrich Vogel Universitätsbibliothek Grazlanguage Deutsch Leipzig Schuchardt, Hugo (1904) Spitzer, Leo (1923) Gross, Hans (1899)

Zitiervorschlag: Hans Gross an Hugo Schuchardt (01-04160). Prag, 10. 03. 1904. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.11480, abgerufen am 16. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.11480.


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[ Prag, 10.3.1904] ARCHIV FÜR KRIMINALANTHROPOLOGIE UND KRIMINALISTIK
Verlag von F.C.W. Vogel, Leipzig
Herausgegeben und redigiert von Prof. Dr. HANS GROSS, Prag.

Hochverehrter Herr Hofrat.

Ich danke Ihnen lebhaft für den überaus interessanten Bogen, den ich mit dem grössten Interesse durchstudiert habe. Ich konnte nicht genug über die Unmenge Gelehrsamkeit u. Wissen staunen, die da zusammengetragen vorliegt! Also mit fallieren, ff. fallit sein hängt das Wort gar nicht zusammen?1

Aber als ich mir überlegte, daß Sie dem, meinem Gebiete so nahe stehenden Falotten2 viel Mühe zugewendet haben, so dachte ich mir: vielleicht erbarmen Sie sich ganz gelegentlich eines anderen Wortes, das mich seit Langem höchlich interessiert & für das wir absolut keine auch nur halbwegs befriedigende Lösung wissen - |2| das Wort Zinken der Gaunersprache; deutsch, zigeunerisch, slawisch geht die Erklärung nicht – vielleicht geht es romanisch.3

Was mir über das Wort bekannt ist, habe ich einmal in meinem Archiv f. Krim. Anthropologie & Kriminalistik Bd. II p. 14 (mit 1739 Abbildungen von Zinken) zusammengestellt. Seither habe ich nur noch zwei verbale Bildungen erfahren.

abwinken“ heißt i. d. Gaunersprache etwa entdecken, aufstöbern, ausfindig machen: „die Polizei hat ihn abgewinkt“ (gefunden, entdeckt) & „Einem einen Zinken stechen“ heißt: Jemandem unbemerkt ein Zeichen geben, ihm eine Andeutung geben.

Vielleicht haben Sie einmal die Güte den ge- |3| nannten Bd. II meines Archivs ( Universitätsbibliothek) anzusehen u. pag. 12-15 zu lesen, wo das Sprachliche der Sache erörtert ist. Es wäre doch gar hübsch, wenn wir von Ihnen eine Belehrung darüber bekämen, was das vertrakte [sic] Wort eigentlich heißen mag! Wenn Sie mir dann aber gar eine kleine Notiz für mein Archiv geben wollten, so wäre ich Ihnen ausserordentlich dankbar.

In grösster Verehrung
Ihr ganz besonders ergebener Kollege

HGroß.

Prag 10/3 04.


1 Schuchardt, „ Etymologisches. Triest. faloto; franz. falot u.s.w.“, ZrP 28, 1904, 129-146. Er leitet das Wort aus dem Arabischen her.

2 Falott, bair.-österr., umgangssprachlich „Betrüger, Halunke, Lump“. Vgl. Leo Spitzer, „Französische Etymologien“, ZrP 43, 1923, 587-600.

3 Google gibt dazu an „Zinken“ = vermutlich althochdeutsch „Zinko" in der Bedeutung von Zacke oder Spitze; rot = Gauner, Landstreicher; Gaunerzeichen bzw. Gaunerzinken haben ihren Ursprung im 16. Jahrhundert als grafisches Verständigungsmittel unter Bettlern, Fahrenden oder Einbrechern“ (wikipedia).

4 Gross, „ Die Gaunerzinken der Freistädter Handschrift“, Archiv für Kriminal-Anthropologie und Kriminalistik 1+2, 1899, 38-66.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 04160)