Hugo Schuchardt an Rufino José Cuervo (184-SC384H85)

von Hugo Schuchardt

an Rufino José Cuervo

Graz

07. 01. 1905

language Deutsch

Schlagwörter: language Arabischlanguage Kaukasische Sprachenlanguage Georgischlanguage Elamitischlanguage Spanisch Rodríguez Marín, Francisco Menéndez Pidal, Ramón Mussafia, Adolf Ägypten Armenien Spanien Peru de Toro y Gómez, Miguel (1901) Schuchardt, Hugo (1905)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Rufino José Cuervo (184-SC384H85). Graz, 07. 01. 1905. Hrsg. von Bernhard Hurch (2023). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.11399, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.11399.


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Graz, 7 Jänner
1905

Verehrter Freund,

Ich danke Ihnen vielmals für Ihren liebenswürdigen Brief und erwidere Ihre Wünsche herzlichst. Was meine Gesundheit anlangt, so ist sie nicht schlechter als sonst, aber auch nicht besser. Auch ich kann nur a ratos arbeiten, und es kostet mich immer viel Mühe etwas auf das Papier zu bringen.

Was meine “semitischen Studien” anlangt, so läuft da wohl ein kleines Missverständnis unter. Ich habe als ganz junger Mensch Arabisch getrieben, und als ich nun die ersten Monate von 1903 in Ägypten zubrachte, habe ich mich soweit als möglich mit der Umgangssprache etwas vertraut gemacht. Nicht um in meinen alten Tagen noch Semitist zu werden, sondern aus allgemeinem sprachwissenschaftlichen Interesse (die Aussprache des , des usw. war mir besonders|2| wichtig) und ausserdem kann ich das Arabische für meine romanischen Etymologien recht gut brauchen. Der Besuch des Orients hat mich nun allerdings noch in anderer Weise angeregt; ich begann mich ein wenig mit den Keilschriften zu beschäftigen, und habe in diesen Tagen dieses Studium wieder aufgenommen. Es handelt sich dabei um Folgendes. Da ich mit den kaukasischen Sprachen und insbesondere mit dem Georgischen mich eingehender befasst habe, so lag es mir nahe und wurde mir auch von Andern nahe gelegt, die verschiedenen nichtsemitischen und nichtarischen Sprachen welche in den Keilschriften Mesopotamiens und Armeniens vertreten sind, auf ihre Verwandtschaft mit dem Kaukasischen hin zu untersuchen. Ich beabsichtige nun mit der Sprache zweiter Art der Achämenideninschriften1 , dem Elamischen oder Susischen zu beginnen. Aber ich habe schon so viel in meinem Leben begonnen, und so wenig ausgeführt, ausführen konnen!

Es ist traurig dass so wenig für das Spanische geschieht (ich meine in linguistischem Sinne, nicht in |3| philologischem). Wir empfinden es schwer dass Sie an der Vollendung Ihres monumentalen Werkes gehindert sind. Auch wenn es sich um ganz bestimmte kleine Wünsche handelt, wird uns ihre Erfüllung von Spanien aus versagt. Mein alter Freund Rodriguez Marin antwortet mir seit vielen Jahren nicht; ich höre nun allerdings von dritter Seite dass er leidend ist. Von Menendez Pidal erhielt ich neulich, nach Mahnung von mir und Anderen, eine Antwort auf meine Bitte um eine gewisse Auskunft, aber zugleich die Mitteilung dass er am zweitfolgenden Tag nach Peru abreisen werde. ("Escribo a V. tan tarde: lo uno por ser español ... " ist das nicht köstlich?). So konnte ich ihn denn nicht um eine Ergänzung seiner Auskunft bitten. In einer Festschrift nämlich die ich für Mussafia vorbereite, spreche ich von den Garnwinden, den devanaderas, und zwar mit Illustrationen aus den verschiedenen Regionen der Romania. Ich wünschte auch aus Spanien etwas beisteuern zu können (abgesehen von einem Bild von Velazquez, las Hilanderas, und einem andern |4| von Murillo). Nun skizzirte mir Menendez Pidal eine solche devanadera von einem Typus den ich bisher nicht kannte, aber in so roher Weise dass ich danach keine Abbildung machen lassen kann. Da er diese Skizze aus dem Nuevo Diccionario enciclopédico de Miguel de Toro y Gómez Barcelona 1904 entnommen hatte, so schrieb ich – schon vor längerer Zeit – an A. Rubió y Lluch, Prof der span. Literatur in Barcelona, und ersuchte ihn – obwohl ich ihn nicht persönlich kenne – er möchte doch, wenn ihm jenes Diccionario zur Hand wäre, mir die Figur durchpausen oder durchzeichnen (eine Arbeit von 5 Minuten). Er hat mir nicht geantwortet, wahrscheinlich por ser español. Warum ich Ihnen alle diese langweiling Einzelheiten schreibe? Weil Sie ja zufälliger-, wenn auch nicht wahrscheinlicherweise das Buch besitzen könnten, und dann vielleicht die Güte hätten mir die Figur pasar al trasluz.

Verzeihen Sie mir dass ich Sie mit meinen kleinen, wissenschaftlichen Bedrängnissen belästige, und auch dass ich Ihnen nicht spanisch schreibe, wie ich es ja natürlich an die Spanier tue. Aber ich bin jetzt so im Gedränge dass ich einen längeren Brief gleich diesem nur in meiner Muttersprache abzufassen Zeit finde.

Ihr herzlich

ergebener

H. Schuchardt

Ich hoffe in spätestens zwei Monaten Ihnen meine Mussafiaschrift senden zu konnen.


1 Im altpersischen Reich, bis weit in den Westen nach Europa reichend.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Instituto Cary y Cuervo. (Sig. SC384H85)