Carlo Salvioni an Hugo Schuchardt (09-09920)
von Carlo Salvioni
an Hugo Schuchardt
01. 04. 1901
Deutsch
Schlagwörter: Ascoli, Graziadio Isaia Ascoli, Graziadio Isaia (1901) Ascoli, Graziadio Isaia (1901) Schuchardt, Hugo (1887)
Zitiervorschlag: Carlo Salvioni an Hugo Schuchardt (09-09920). Pavia, 01. 04. 1901. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.11179, abgerufen am 29. 11. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.11179.
[CARTOLINA POSTALE ITALIANA,
PAVIA 1-4-01]1
Verehrter Herr Professor,
Vorgestern fand die Ascoli-Feier in Mailand statt. Ich war beauftragt, den Miscellanband vorzulegen. In den begleitenden Worten habe ich auch dem Meister gesagt wie Sie schmerzlich empfunden dass Ihr Gesundheitszustand nicht erlaubt habe einen Beitrag zu schicken.2 – Ich habe mir auch erlaubt die Worte zu wiederholen mit welchen Sie im Literaturblatt (1887) anlässlich des 25jährigen Jubiläums geschrieben haben.3 Es schien mir man konnte von Ascoli nicht besser reden als Sie es gethan. Und in der That kein Redner wurde mit so einem Beifalle belohnt wie Sie. – Ihren Brief enthaltend die an Parodi4 gerichtete Karte habe ich erhalten. Soll ich nicht lieber die Karte an Parodi schicken? Parodi ist Professor am Istituto Superiore (Piazza S. Marco) in Florenz. In Genova, woher er gebürtig ist, verbringt er gewöhnlich die Ferien. – Auch die Grazer Post hat mir einmal eine an Sie gerichtete Sendung mit der Anmerkung ,unbekannt‘ zurückerstattet. – Ich wünsche Ihnen dass unser Himmel Ihrer Gesundheit förderlich sei. Sollte Sie Ihr Plan über Pavia reisen lassen, so wäre es mir sehr lieb bei der Gelegenheit den Grazer Meister kennen zu lernen.
Hochachtungsvoll Ergeb.
C. Salvioni
1 Nachgesandt nach Palermo, poste restante.
2 Vgl. dazu die Abschiedsworte von Ascoli, „Agli amici dell’Archivio“, AGI 15, 1901, iii-iv; weitere Einzelheiten zur Verabschiedung Ascolis in der Grande aula della R. Accdemia scientifico-letterara di Milano, 30. März 1901, in: Onoranze a Graziadio Ascoli, Mailand: Rebeschini e C., 1901; AGI 16, 1902-1904-1905, 193-206.
3 Schuchardt, „[Rez. von:] Due recenti lettere glottologiche e una poscritta nuova, di G. I. Ascoli. Estratto dal X volume dell’ ,Archivio glottologico italiano”', Literaturblatt für germanische und romanische Philologie 8, 1887, 12-26. Gemeint sein könnte z. B. Sp. 13: „Dass die wissenschaftliche Arbeit auf einer nothwendigen, vom Könige bis zum Kärrner unendlich abgestuften Verbindung des Subjectiven und Objectiven beruht, diese selbstverständliche Thatsache wird durch die gedankenlose Routine der Kritiker einigermassen verdunkelt, welche den einen Ausdruck in tadelndem, den andern in lobendem Sinne anzuwenden lieben. Wenn der Erweiterung des Wissensgebietes der objective Charakter eignet, so der subjective der Vervollkommnung der Arbeitsweise, welche ja den eigentlichen Fortschritt der Wissenschaft bedeutet. Daraus ergibt sich welch tiefes Interesse die Betrachtung der individuellen Anlagen und Neigungen des Forschers uns einflössen muss, wie nicht bloss die Neugier uns zu einem flüchtigen Blick in seine Werkstätte reizt“. Oder auch Sp. 18: „ Ascoli führt uns auch durch die Gefilde der grauen Theorie nicht ohne uns auf Schritt und Tritt vom grünen Lebensbaum der Sprache goldene Früchte zu brechen. Im zweiten Paragraphe aber (,cause inavvertite‘) schiebt er das Allgemeine fast ganz bei Seite und beschenkt uns mit Einzeluntersuchungen in welchen sich wie kaum anderswo die Stärke und die Eigenthümlichkeit seiner linguistischen Begabung offenbaren“.
4 Ernesto Giacomo Parodi (1862-1923), ital. Romanist und Dantologe, seit 1892 Prof. in Florenz; vgl. HSA, 08662-08669 (1898 bis 1908).