Rosa Gerold von Henneberg an Hugo Schuchardt (01-03656)

von Rosa Gerold von Henneberg

an Hugo Schuchardt

Wien

22. 02. 1882

language Deutsch

Zitiervorschlag: Rosa Gerold von Henneberg an Hugo Schuchardt (01-03656). Wien, 22. 02. 1882. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.11139, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.11139.


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Hofgasse, Wien,
den 22 Febr.
1882.

Verehrter Herr Professor!

Welche Freude ist es für mich von einem bedeutenden Manne wie Sie sind, nicht nur einen so so geistreichen köstlichen Brief erhalten zu haben! – – sondern auch noch überdies mit einem Auftrage beglückt zu werden, – eine Bitte erfüllen zu können! Es thut mir völlig Leid daß es gar so leicht gewesen ist! ––––

Ich lud mir heute Kijo o Hongma1 zu Tische, – er kam nicht gleich, aber |2| gestern war er frei, und gelang es ihn bei uns zu haben! ––––

Er erzählte mir nun also daß dies chinesische Pitschen-Englisch2 in Japan nicht gesprochen wird! – Dafür haben aber die Japaner einen Theil ihrer Sprache für die Fremden dort „hergerichtet“ – und eine Anzahl von Worten u. Ausdrücken in einer Weise zusammengefaßt u. zusammengestellt – daß der Fremde der diese 20 oder 30 Worte gelernt hat – durch ganz Japan damit reisen kann! – |3| Das ist doch recht merkwürdig! –––

Es ist überhaupt ein einzig Volk! Von einem Wissensdurst u. einer Lernbegierde wie kein Anderes! – u. dazu diese seltsame Vorliebe für Alles Deutsche! ¬– Sie sehen doch die europäischen Nationen aus so weiter Ferne – daß für sie eine wie die Andere sein muß! – Die Engländer u. Holländer sind ihnen so viel bekannter, sie sind zahlreicher auf ihren Schiffen (sie sind zahlreicher auf ihren Schiffen hergekommen) u. dennoch haben sie mit richtigem Instinkt herausgefunden daß die deutsche Nation die vorgeschrittenste ist. – u. Universitäten, höhere Schulen, Professoren – Alles ist bei ihnen deutsch! – u. die deutsche Sprache (nicht die englische !) wird in allen Schulen gelehrt |4| u. jeder junge Japaner muß sie lernen! – Sollte es wahr sein was Hr. Hongma behauptet? Er sagte mir die jetzigen Bewohner Japans stammten von zu Schiffe gekommenen auf der Insel gelandeten Persern, u. nur die Ureinwohner, von denen noch ein kleiner Theil existirt, seien Mongolen! –

Graf Schack aber (in der Vorrede zum Firdusi)3 behauptet wieder wir Deutsche stammten viel eher von den Persern – als von den Indern ab, es wäre also dann ein verwandter Zug der Japans Söhne zu uns zöge! –

Kommen Sie denn gar nicht mehr nach Wien lieber Herr Professor? – Ich wäre recht glücklich Sie einmal wieder zu sehen u. mit Ihnen von Spanien u. von der lieben Thüringer Heimat zu plaudern! ---- Beides sind meine geliebtesten Länder!

Ich habe jetzt oft kleine „spanische |3| Abende und Gelegenheit lengua castellana zu plaudern! Es hofft sehr auf Ihren baldigen Besuch Ihre Landsmännin
Rosa Gerold v. Henneberg


1 Kiyoo Honma, Kijo o Hongma, Honma Kiyoo usw., Sekretär bzw. Geschäfsträger der japan. Botschaft in Wien.

2 „Pidgin-Englisch“.

3 Heldensagen des Firdusi in drei Bänden; in deutscher Nachbildung nebst einer Einleitung von Adolf Friedrich Graf von Schack, Stuttgart: Cotta, [ca. 1891].

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 03656)