Zsigmond Simonyi an Hugo Schuchardt (122-10684)
von Zsigmond Simonyi
an Hugo Schuchardt
23. 12. 1918
Deutsch
Schlagwörter: Magyar Nyelvör Französisch Spitzer, Leo Ungarn
Zitiervorschlag: Zsigmond Simonyi an Hugo Schuchardt (122-10684). Budapest, 23. 12. 1918. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.11040, abgerufen am 08. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.11040.
Budapest, 23. Dez. 1918.
Verehrter Herr Hofrat!
Wir wünschen Ihnen ruhige Feiertage und ein glücklicheres neues Jahr, als es das alte war. Wohl wird unsere Feiertagsruhe durch die Unruhe des Gemütes gestört, durch die Sorge um die heiteren und die dunklen Lose, die für uns noch ruhen in des Schicksals Schoße. Das Riesenvolk der Deutschen, deutscher Geist und deutsche Zucht wird alles Ungemach besiegen. Doch unser kleines Volk, dem man noch dazu alle Glieder abschneiden will, das ringumher von Feinden belagert wird, hat eine traurige Zukunft zu gewärtigen. In der nächsten Zeit wird es bei uns aussehn, wie in den 150 Jahren der Türkenherrschft, da Ungarn in drei Teile zergliedert war.-
Ich bitte um Vergebung dafür, dass ich Ihr letztes Schreiben so lange unbeantwortet gelassen. Wir leben in fortwährender Aufregung, nicht blos infolge des unglückliches Krieges und des politischen |2|Umsturzes, sondern auch wegen dieser furchtbaren spanischen Grippe, die uns auch eine sehr nahe Verwandte, die Frau meines Bruders entrissen hat. – Auch von unserm Sohn wissen wir nichts, im Mai hat er uns von Beresowka am Baikalsee geschrieben.
Unser neuer Unterrichtsminister ist Willens einen neuen Lehrstuhl für französische Sprache zu errichten.* Wenn er Minister bleibt (was aber sehr unsicher ist), werde ich trachten, Leo Spitzer zu gewinnen, ich hätte ihn gar zu gerne hier. Es ist eine erstaunliche Arbeitskraft und seine Arbeiten sind ungemein anregend. Sein Ausfall gegen die „Fremdwörterhatz“ ist etwa übertrieben. Den fortgesetzten Streit im Nyelvőr zwischen Schmidt und Zolnai werden Herr Hofrat gewiss mit großem Interesse lesen.
Besten Dank für Ihre letzten Sendungen! Ich lese alles mit Eifer und Nutzen.
Ich und die Meinigen denken sehr oft an Sie und würden sehr gerne hören, dass es Ihnen gut geht, - soweit es einem heute gut gehen kann.
In treuer Ergebenheit Ihr getreuer
S. Simonyi
*Leider kommt eben die Nachricht, der Minister habe demissioniert.