Nicolaas Mansvelt an Hugo Schuchardt (02-06841)
an Hugo Schuchardt
13. 10. 1885
Deutsch
Zitiervorschlag: Nicolaas Mansvelt an Hugo Schuchardt (02-06841). Stellenbosch, 13. 10. 1885. Hrsg. von Gerald Russow (2013). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1104, abgerufen am 22. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1104.
Printedition: Russow, Gerald (2012): „…die Ursache der grammatischen Zersetzung des Kapholländischen…“ - Der Briefwechsel zwischen Hugo Schuchardt und Nicolaas Mansvelt.. In: Grazer Linguistische Studien. Bd. 78., S. 75-99.
Niederländisch Südafrika
6841
Stellenbosch,
13 October 1885.
Sehr geehrter Herr,
Ihren geehrten Brief d.d. 9 Sept. ’85. Habe ich vorige Woche erhalten und ich beeile mich jetzt, ihn noch mit umgehender Post zu beantworten.
Ich brauche Ihnen kaum zu sagen, wie sehr mich Ihr Schreiben gefreut hat, und daß ich gern alles thun werde, was ich kann, Ihnen bei Ihren Studien bezüglich des Kapsch-Holländischen behülflich zu sein. Ich gestehe, daß ich mich bisher getäuscht gesehen habe in meiner Erwartung, daß man sich in Holland mehr für dieses höchst interessante Studium interessieren würde, und um so mehr erfreut mich natürlich das Interesse, das Sie für diese in ihrer Art einzige Erscheinung |2|unter den Sprachen zeigen.
Daß das Interesse für eine Arbeit wie die Meine hier in Süd-Afrika nicht so groß sein würde, hätte man vorher erwarten können, daß mein Buch in Holland aber so wenig Theilnahme gefunden, dauert mich. Ich habe das Buch auf eigenen [sic] Kosten drucken lassen, und bis ich wenigstens mein Geld zurück habe, kann ich nicht daran denken, eine zweite Auflage heraus zugeben, obgleich ich, seit die erste erschien, einen ganzen Schatz von neuen Baustoffen bekommen und gesammelt habe; und großer Schaden würde es sein, wenn der nicht verarbeitet würde. Um diese Ursache hoffe ich auch, das[s] der Artikel1, dessen Sie meine Arbeit gewürdigt habe, dem Buch auch mehrere Käufer zuziehen werden, und ich folglich bald in den Stand gesetzt werden möge, eine zweite Auflage zu beginnen. Und jetzt will ich Ihren Brief seriatim2 [kaum leserlich] beantworten, insofern ich es noch |3|nicht gethan. -- Durch einen Freund3 in der Kapstadt ist es mir gelungen, schon einen Theil der verlangten Artikel zu bekommen, u. er hat mir versprochen, weiter sein Möglichstes zu thun. Nebengehend schicke ich Ihnen die drei erwähnten Artikel aus dem C.M.Mag.4; weiter eine Rede des Lord. Oberrichters Henry de Villiers über das K. Holland eine andere von mir über denselben Gegenstand. Damit das Packet nicht zu schwer würde, habe ich betreffende Artikel nur ausgeschnitten u. schicke sie „per book post.“ Ich weiß jetzt noch nicht, wie viel mein Freund für diese Nummern hat bezahlen müssen; sobald ich näher von ihm höre, schreibe ich weiter, über diesen Punkt. Ob es mir gelingen wird, einzelne Nummern von anderen Zeitschriften zu bekommen, weiß ich nicht, werde aber mein Möglichstes thun. - Was die Zersetzung der holländischen Sprache in diesem Lande betrifft, stimme ich Ihnen bei, daß |4|die Franzosen nicht wesentlich daran betheiligt gewesen sind, obgleich einige Spuren nicht ganz zu verkennen sind. Daß die Hottentotten einen sehr großen Einfluß auf die Sprache gehabt haben, ist nicht zu läugnen; aber auch nicht zu vergessen ist, daß im Holländischen selbst schon die Keime vieler Abartungen anzuzeigen sind. z.b. die Abwerfung des n am Ende eines Wortes, wie das besonders in der eigentlichen Provinz Holland vorkommt. Es gibt sogar im Holländischen ein Paar Infinitive welche die ganze Endung en verloren haben, aber nur in adverbialischen Ausdrücken, nl. te koop(en) u. te huur(en). Weiter findet man, wie Sie wahrscheinlich wissen, die Synkope des d zwischen zwei Vokalen, wie zb. raaien anstatt raden, u.s.w; u dieses Prinzip ist hier regelmäßig durchgeführt auch das Dissimilieren von Zischlauten, das hier so allgemein ist, ist dem Holländischen gar nicht fremd. Aber ich verschieße |5|sehr wahrscheinlich mein Pulver umsonst u. erzähle Ihnen „oud nieuws“ wie man im Holländischen sagt. -- ich fahre fort mit der Beantwortung: --
Welche Fehler ein Hottentotte begeht, wenn er Hochholl. erlernt, kann ich jetzt nicht sagen; werde aber weitere Erforschungen danach anstellen. Hottentotten die Englisch lernen, ohne vorher Holl. Gelernt zu haben, gibt es nicht. Wie mein Freund schrieb „The raw Hottentot that knows English and that before knowing Dutch, is what may be algebraically ….. an unknown quantity.” Mein Freund, in der Kapstadt geboren, sagt mir, daß er nie von einer ‘Mohammetan Mission’ in der K. gehört habe u. daß keiner von den vielen Personen, bei denen er sich danach erkundigte je von einer solchen Mission gehört habe.-- Und was nun schließ[-]|6|lich die angekündigten Arbeiten im Prospectus der Zeitschrift „O.V.“5 betrifft, der Herr A. Pannevis6, von dem diese sein müssen, ist inzwischen gestorben, u. hat mir seine ganze Sammlung Kapscher Wörter u. Redensarten überlassen, welche also für eine künftige (?) zweite Auflage bewahrt [schwer leserlich] bleiben. Was die Beitragen [sic] enthielten, weiß ich nicht, doch es wird schwer gehen, dieselben aus den Händen der Redaction zu bekommen, u. wann sie endlich diese schon jahrelang angekündigten Arbeiten drucken wird, weiß keiner. No. 33. „Het K. H. Taaleigen“ ist wahrscheinlich eine erste Probe meines Idioticons, schon vor etwa zwei Jahren an die K. geschickt. Vom „Transchvaalische7 Woordenboek“ endlich weiß ich nichts, u. möchte gerne etwas näheres darüber hören. Und hiermit muß ich diesmal schließen. Sobald ich etwas zu beweisen habe, hoffe ich Ihnen wieder zu schreiben u. erkläre mich gern bereit, Ihnen möglich auf künftige Fragen diesen Gegenstand betreffend zu antworten.
|7|PS. Ich hätte noch erwähnen sollen, daß Dr. van Oordt8 in einer Beurtheilung über meine Arbeit die Meinung ausgesprochen hat, daß ich nicht genug geachtet habe auf das deutsche Element in der alt-Kapschen Bevölkerung. Ich werde weiter mit ihm darüber correspondiren. Auch meint er, daß Ausdrücke wie „ik is honger“ ihren Ursprung einer Verwechselung der Hülfszeitwörter verdanken, wie solches oft in Ost. Indien vorkommt.
|8|In größter Hochachtung ergebenst Ihr
Mansvelt
Professor Dr. Hugo Schuchardt,
Graz
Steiermark,
Oestreich.
2 Mein Dank für den Hinweis auf die Lesart „seriatim“ ergeht an Prof. Noordegraaf.
3 Die Identität des genannten Freundes konnte nicht ermittelt werden.
4 Cape Monthly Magazine , siehe Schuchardt-Mansvelt (Lfd.Nr. 01, FN 1).
5 Onze Volkstaal, siehe Schuchardt-Mansvelt (Lfd.Nr. 01, FN 7), zum Prospectus vgl. Schuchardt-Mansvelt (Lfd.Nr. 01, FN 8).
6 Vgl. Schuchardt-Mansvelt (Lfd.Nr. 01, FN 9).
7 Es scheint sich um eine hyperkorrekte Schreibweise zu handeln, die noch dazu ans Deutsche angeglichen ist, richtig wäre: transvaal(i)sch.
8 Jan Willem Gerbrand van Oordt (1826-1904), Historiker, Journalist, Archivar; war mit Changuions Tochter verheiratet, publizierte von 1856-1892 Het Volksblad (Oordt 1975: 155b). Mein Dank für den Hinweis geht an Prof. Jan Noordegraaf an der Universität Leiden.